Jänner - Februar 2018
Hans Theessink | Blind Willie McTell |
So ist es vielleicht ein bißchen ungerecht, daß wir den Niederländern einen grandiosen Blues-Barden entwendet haben, denn auch der grandiose Hans Theessink ist aus der Donaustadt nicht mehr wegzudenken und er hat auch kein "Abreisesymptom", denn er hat hier (und sogar im JAZZLAND) seine Milica kennen und lieben gelernt und die beiden sind in den letzten Jahrzehnten zu einem festen Bestandteil der Musik- und sonstigen Szene Wiens geworden.
Neben seinem vier- oder fünftägigen Neujahrskonzert unter der Ruprechtskirche findet ebenfalls alljährlich im Musikvereinsgebäude ein vergleichbares Ereignis statt. Diese opulente Veranstaltung leidet allerdings schwer darunter, daß der Mann im Frack, der dem Orchester die Einsätze aufoktroyiert, fast jährlich ausgetauscht wird.
Das kommt bei uns nicht in Frage, denn der Hans ist zu einem Symbol des erfreulichen Jahreswechsels für Jazz- und Bluesliebhaber geworden – wir geben ihn nicht her, nicht einmal für eine dem Ronaldo vergleichbare Ablösesumme.
Seine Konzerte im JAZZLAND sind fast immer grandios gut besucht, die Fans stehen oft schon eine halbe Stunde vor 19.00 Uhr (da sperren wir auf) vor der Türe und im kleinen Keller findet man kaum zehn Minuten später nur mehr schwer einen freien Platz.
Sein Repertoire ist – weit untertrieben ausgedrückt – umfangreich. Er mischt respektlos erstklassigen Folk-Blues mit authentischem Texas-Sound, findet in alten Hadern die jedem Bluesfan in alle Herzkammern eingraviert sind neue Facetten, gräbt alte Schätze aus, die nicht einmal den würdigsten Gallionsfiguren geläufig sind und trägt eigene Kompositionen vor, die innerhalb weniger Minuten so "ins Blut gehen", daß man glaubt, den Titel schon vor Jahrzehnten inhaliert zu haben.
Eines dieser Prachtstückte ist dem zu Unrecht weitgehend vergessenen Gitarristen und Sänger Blind Willie McTell gewidmet, der in den 20-er und 30-er Jahren einige herrliche Schellacks eingespielt hat und damit eine (bescheidene) Popularität gewonnen hat – aber natürlich verschwand er wie so viele seiner Kollegen bald wieder von der Bildfläche…
Man weiß nicht viel über ihn, aber ein fast wahnwitziger Zufall erinnerte die Bluesszene nochmals an diesen Giganten.
Irgendwann in den 50-er Jahren bekam ein junger Mann etwas ganz besonderes geschenkt – ein tragbares Tonbandgerät. Mit dem begann er zu experimentieren, nahm Vogelstimmen, die vorbeifahrende Eisenbahn, das Glucksen eines Baches und den Gesang eines Bettlers im Hinterhof auf, den er sogar fotographierte……
Jahre später begann er sich für die Musik der Farbigen zu interessieren und die Stimme auf einer frisch erschienenen LP mit Aufnahmen aus den 20-er Jahren erinnerte ihn an sein altes Tonbandgerät……
……und Blind Willie McTell erlebte posthum eine Wiedergeburt……
Und viele Jahre später, wird der vergessene, schwarze Barde auf die JAZZLAND-Bühne gebeten und ein guter Teil des frenetischen Applauses, den Hans Theessink verdientermaßen genießen darf, gebührt eigentlich diesem 1959 in Vergessenheit verstorbenen Blues-Barden……