September - Oktober 2008
Auftritte mit dem wahrscheinlich letzten großen authentischen Blues-Sänger sind immer eine spannende Sache. Man weiß niemals, was er eigentlich will, seine Ideen schießen in die wildesten Richtungen, und seine spontanen Einfälle kommen so überraschend, daß auch die gespannteste Aufmerksamkeit der durchaus anpassungswilligen Mitmusiker weit überstrapaziert war.
So beschloß die "Mojo Blues Band" nach dem ersten sehr anstrengenden und pannenreichen Zusammenspiel für den nächsten Nachmittag eine ausführliche Probe. Man traf sich knapp nach dem Mittagessen - das mit Red auch ein Erlebnis war. Beim Chinesen bestellte er sich eine Fleisch-Speise, dazu eine weitere Reis-Platte als Beilage (eine Portion, die für drei bis fünf normale Esser durchaus reichlich zu nennen war), mischte das ganze auf einer Platte zusammen und bedeckte den duftenden und noch immer sehr appetitlich anzusehenden Haufen zweieinhalb Finger hoch mit "Sambal", dem teuflisch scharfen roten Gewürz, das selbst von Gourmets, die die scharfe Küche lieben, eher in homöopathischen Dosen genossen wird. Voll Eßlust begann er dann alles in sich hinein zu schaufeln und grinste - als er unser mildes Erstaunen erkannte, als er sich alles noch mehrmals nachwürzte - spitzbübisch: "That's why they call me Red!"
Doch zurück zur Probe: man begann zu spielen, Red spielte ein traumhaftes Solo (4 bis 7 Chorusse lang) und teilte den Rest des Songs (drei Chorusse) als Soli für seine Mitmusiker auf.
Die zweite Nummer: Red begann mit einem noch einfallsreicheren Solo (5 bis 8 Chorusse lang) und teilte den Rest des Liedes (zwei Chorusse) als Halb-Soli für die Mitmusiker auf.
So verging die - lange - Probe. Die Soli von Red wurden immer länger, der Beuteanteil seiner Kollegen schrumpfte von Titel zu Titel.
Dann der Abend - zuerst stärkte sich Red mit zwei Portionen des ob seiner Schärfe berüchtigten "Bohnengulaschs", welches er sich sehr kräftig nachwürzte und begann dann mit der Session.
Und zeigte uns dabei, welch kreativer Musiker er ist - denn: er wiederholte kein einziges Solo, er wiederholte kein einziges Arrangement und er wiederholte keinen einzigen Titel von der nachmittäglichen Probe. Das einzige, was entfernt an den Nachmittag erinnerte, war die Länge seiner Soli - sie wurden von Lied zu Lied länger.
Und gegen Ende des Abends war er dann so richtig "eingespielt" - seine Finger flogen nur so über die Saiten und seine Improvisationen uferten endgültig über.
Daß seine Mitmusiker um den musikalisch und konditionell sicherlich nicht schwach bestückten Erik Trauner schon seit Stunden stehend K.O. in den Seilen hingen, fiel ihm nicht einmal auf.
Wen wundert es, daß die "Mojos" auf das Angebot, auch am nächsten Tag eine Probe abzuhalten, freundlichst verzichteten.