Juni 2004
Warren Vaché co, Ernst Machacek co, im Hintergrund Gerd Staechelin dm |
Warren Vaché co, Scott Hamilton ts, Ken Peplowski cl |
Die Geschichte mit diesem herrlichen Kornettisten ist fast schon kitschig - als in der Mitte der 70-er Jahre der inzwischen leider längst verstorbene Tenorsaxophon-Gigant BUDDY TATE das leider einzige Mal im JAZZLAND spielte, war er von der Atmosphäre in unserem Keller ziemlich begeistert.
Er erzählte seinen amerikanischen Musikerkollegen über Wien - unter anderem auch dem jungen WARREN VACHÉ.
Schon damals war ich auf den Kornettisten aufmerksam geworden, die ersten Platten tauchten auf, er war in den USA ein gefeierter Jungstar, der mir für unsere Verhältnisse viel zu teuer erschien - kurz gesagt, ich war der Meinung, den Mann können wir uns nicht leisten.
WARREN wiederum, der - wie eigentlich viele große Musiker - dazu neigt, sich selbst zu unterschätzen, hielt seinen Namen nicht für groß genug, um sich an einen so renommierten Club wie das JAZZLAND zu wenden.
So vergingen die Jahre - WARREN wollte in Wien spielen, ich wollte ihn engagieren, aber vor lauter gegenseitiger Hochachtung kamen wir nicht zueinander.
Wein sei Dank (da ist natürlich Impresario George gemeint und nicht der Grüne Veltliner), brachte ihn dieser schließlich mit seinen NEWPORT-ALLSTARS zum Festival in den Messepalast (1991), und WARREN kam mit einem ganzen Paket hungriger Jazzer ins 'landl.
Mit dabei waren der gefeierte Drummer OLIVER JACKSON, der junge Gitarrist HOWARD ALDEN, auf den ich damals erstmals aufmerksam wurde und der herrliche EDDIE JONES, den man 1957 aus seinem Versicherungsmakler-Büro holte, um für den tags zuvor verstorbenen WALTER PAGE für die TV-Aufzeichnung von "SOUND OF JAZZ" am Bass einzuspringen.
Es spielte die ORIGINAL STORYVILLE JAZZBAND, und den gestandenen Swingern gefiel die klassische New-Orleans-Jazzband ausnehmend gut - man wollte einsteigen.
Nun, das war mit dem Bass von HANS "BIBI" BICHLER kein Problem, EDDIE nahm ihm freundlich grinsend sein Instrument aus der Hand und spielte einfach mit.
Mit GERD STÄCHELINS Schlagzeug war es etwas komplizierter, denn GERD ist zwar ein grandioser, aber kein "gelernter" Drummer - dies sieht man sofort, wen man die etwas abenteuerliche Konstruktion seines Sets betrachtet. Aber das war für OLIVER kein echtes Hindernis - nach einer Schrecksekunde - so schilderte er später - konnte er sich mit Snare und Becken anfreunden. "I can swing on everything", meinte er lakonisch.
"Leider hast Du Deine Gitarre mit dem Bandbus ins Hotel geschickt", bedauerte ich HOWARD ALDEN, der daraufhin wortlos aufstand und dem verblüfften UDO EHMSEN das Banjo aus der Hand nahm. Und dann waren wir alle verblüfft, denn so einen Banjospieler hatten wir noch niemals gehört. Versteht sich von selbst, daß wir ihn bei seinen weiteren Besuchen (der nächste ist für Oktober 2004 ausgemacht) auch im Kontext mit klassischen Bands vorstellten.
Da saß dann schließlich nur mehr der WARREN bei uns am Tisch, und meine TILLY schlug vor: "Der ERNST MACHACEK wird dir sicher sein Kornett leihen!" Aber das lehnte Warren kategorisch ab: "Ich will nicht statt, sondern mit ihm spielen!!!" Aber auch da fand sich ein Lösung - FRANZ LUTTENBERGER hat auch wenn er pianistisch unterwegs ist aus prinzipiellen Gründen immer seine Trompete mit und so kam es zu einer grandiosen Session zwischen einem Gutteil der legendären NEWPORT ALL STARS und unserer STORYVILLE, die allen Zuhörern unvergessen bleiben wird - eine Sternstunde.
Später tastete ich mich dann vorsichtig vor, wieviel WARREN VACHÉ nun pro Abend eigentlich verlange - er fragte ebenso zögernd an, ob ich ihn nicht für einen oder zwei Tage nehmen wolle. Als dann endlich das 15-Jahr-Mißverständnis ausgeräumt war, wußten wir beide, daß in den nächsten Jahrzehnten so manche WARREN-VACHÉ-FESTWOCHE fällig sein würde.
Eine ähnliche Geschichte ereignete sich auch mit dem großen Tenorsaxophonisten SCOTT HAMILTON. Auch er wollte schon jahrelang ins JAZZLAND kommen, ich verzichtete auf Annäherungsversuche, weil ich ihn für viel zu teuer hielt.
Als er dann endlich in Wien ankam, machte er mir eines der schönsten Komplimente (ohne es zu wollen): er hatte eine dreiwöchige Deutschland-Tournee gebucht, der Manager hätte Mist gebaut, und die Tour bestand nur aus einigen mickrigen Gigs, die noch dazu Tage auseinander lagen. SCOTT hockte in unfreundlichen Hotelzimmern herum, dann versandete die Tournee vollkommen, und SCOTT düste über den Großen Teich zurück zu seiner Familie.
"Und jetzt bin ich extra für die zwei Tage im JAZZLAND wieder zurückgeflogen. Das kostet mich 700 Dollar, aber um endlich im JAZZLAND zu spielen, nehme ich das gerne auf mich - jeden anderen Gig hätte ich abgesagt".
So denkt ein Weltstar über unseren Keller, während wir in den heimischen Massenmedien bestenfalls eine Zeile im Konzertkalender sind. Irgendwie habe ich mich in den 32 Jahren doch nicht so richtig an die Ignoranz unserer Zeitungs-, Rundfunk- und Fernsehmenschen gewöhnen können.