Story des Monats

Mai 2004


 
BILL BERRY
 
Bill Berry
 

Wenn ein Musiker jemals im Ellington Orchester gesessen ist, dann gehört er einem gewissen, undefinierbaren Adelsstand an - und wenn er noch dazu eine weiße Hautfarbe besitzt, so mußte er schon ein ganz großer Könner sein, um vor den gestrengen Ohren des Duke bestehen zu können. BILL BERRY saß nicht nur jahrelang in dieser illustren Gesellschaft - er war sogar der Satzführer der Trompeter, ehe der große Cootie Williams seinen angestammten Platz zurück forderte.

Er war ein ungemein bescheidener, liebenswerter und fast kauziger Mensch, jahrelang leitete er an der Westküste eine eigene Bigband die man in Fachkreisen direkt neben die phantastische Formation von THAD JONES/MEL LEWIS stellte. Er weiß also technisch sicherlich alles über sein Instrument.

Er war 1991 schon einige Tage vor seinem Auftritt mit SCOTT HAMILTON und der BOSCO PETROVIC CONVENTION in Wien und verbrachte seine Abende - wie es sich gehört - im 'landl.

Er hörte erstaunt unserem KARL RATZER zu und freute sich schon darauf, bei einem zukünftigen Gastspiel mit seiner ausgezeichneten Band zu spielen. Am nächsten Tag lauschte er der ORIGINAL STORYVILLE JAZZBAND, die stilistisch natürlich nicht ganz sein Bereich ist, aber nach wenigen Nummern stellte er erfreut fest, daß er nach vielen Jahren endlich wieder eine wirklich gute traditionelle Band gefunden hatte. "They play true and honest! Classic jazz of real class!"

Und natürlich hatte es ihm unser ERNST MACHACEK besonders angetan, der ja im Schatten von LOUIS ARMSTRONG einen eigenen Stil entwickelt hat.

Auf meine Frage, wie es denn eigentlich um die Technik vom ERNST bestellt sei, meinte BILL BERRY: "Er macht ja einiges falsch, aber ich würde es nie wagen, ihm eine Belehrung zu erteilen. Stell Dir vor, ich hätte dem WILD BILL DAVISON gesagt, was er alles falsch gemacht hat - so ziemlich alles. Dann hätte der Jazz einen seiner originalsten Trompeter verloren."

Und wenn man jetzt noch weiß, wie sehr der WILDE BILL unseren ERNSTL - und natürlich umgekehrt - bewundert hat, dann kann man die Pointe dieser Geschichte erst richtig würdigen.

Vor der New-Orleans-Reise der Red Hot Pods im Jahre 1994 gastierte Bill Berry abermals bei uns, und erfuhr ganz beiläufig, daß Tilly und ich demnächst in der Geburtsstadt des Jazz sein würden. Er stellte fest, daß er nur einen Tag früher für eine Karibik-Kreuzfahrt in der Stadt am Mississippi-Delta anreisen müßte, um uns dort zu treffen. Wir hatten diese Überlegungen schon vergessen, als Bill plötzlich beim traditionellen Riverboat-Shuffle auf der "Natchez" aufkreuzte, das übliche Riesenhallo entstand, und Bill hörte vergnügt den Pods zu. Schließlich fragte er mich, ob die Band denn nicht auch den Saint Louis Blues spielen könne. Natürlich, keine Frage, und so stieg der bedeutende Bigband-Musiker und Modern-Jazz-Trompeter zum ersten Male in seinem Leben bei einer klassischen Oldtime-Band ein.

Und eine neue Freundschaft war geboren - Bill jazzte dann einen ganzen Abend 1995 mit den Pods, und es war immens.

Leider sollten alle Pläne, die wir mit Bill zwischen den Sessions wälzten nicht Wirklichkeit werden, denn er verstarb am 18. November 2002 an Lungenkrebs.


© Axel Melhardt
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