Mai - Juni 2002
Als ich so an die zwölfdreiviertel Jahre alt war, einen Haufen Rock'n Roll EPs (damals auch 45-er genannt) besaß, und die Welt noch einigermaßen anders aussah, im Frühjahr 1956 eben, da hatte ich mein allererstes Rendezvous mit einem dieser Wesen von einem anderen Stern - also mit einem Mädchen und sie hieß Lieselotte (und das Schlimme ist, daß ich mich an sie selbst überhaupt nicht erinnern kann).
Ich war mit ihr für 12.00 Uhr mittags an einem Samstag vor dem inzwischen auch schon längst verblichenem Forum-Kino (Ecke Stadion-Gasse und "Zweier-Linie") verabredet - und sie kam nicht.
Nicht um die Mittagsstunde, auch nicht um halb Eins und auch nicht um Zwei. Wenn man jung ist, da wartet man endlos - auch wenn man verliebt ist (auf meine Tilly wartete ich drei Stunden vor der Nationalbibliothek, während sie hinter der Nationalbibliothek zehn Minuten meiner harrte . . .).
Diese Schande, dachte ich bei mir, denn bei meiner Mutter hatte ich mir einen freien Nachmittag herausgeschunden - nichts Familiäres, nicht ins Wochenende fahren, denn ich hatte ja mein allererstes Treffen mit einem Mädchen.
So knapp vor halb Drei keimte in mir der fürchterliche Verdacht auf, Lieselotte würde doch nicht mehr kommen, und ich suchte nach einer Alternative, um nicht nach Hause gehen und den Schmach eingestehen zu müssen.
Ich drehte mich um, fand heraus, daß ich vor einem Kino stand und beschloß, mir den Film anzusehen, ganz egal, was man da eigentlich darbot.
"Benny Goodman-Story"!
Nie gehört.
Niemals werde ich jemandem genau beschreiben können, was sich in den nächsten knappen zwei Stunden bei mir ereignete. Ich verließ das Kino, stellte mich bei der Kassa an, sah nochmals Benny Goodman und all die anderen, taumelte benommen aus dem Zuschauerraum, stellte mich bei der Kassa an und kam gegen neun Uhr in Trance nach Hause, denn ich hatte versprochen, mich nicht später bei Muttern einzustellen.
Nach längeren Verhandlungen mit meiner mir damals vorgesetzten Behörde erhielt ich schließlich einen sonntäglichen Ausgang bis 23.00 Uhr und setzte mich für vier Vorstellungen in die BG-Story.
Am darauffolgenden Montag verschepperte ich all meine Rock'n Roll Platten in der Schule an den Meistbietenden und suchte sofort nach der Entlassung aus der Bildungsstätte (die ich mit Alfons Würzl teilte - einem Umstand, dem wir damals natürlich keinerlei Beachtung schenkten) nach einem Schallplattengeschäft, wo man Jazzplatten feilbot. Nach längeren Irrungen führte mich der Zufall in die Rotenturmstraße - Schallplattenhaus Gebrüder Placht. Eine sehr freundliche Dame verkaufte mir das "Carnegie-Hall-Concert" des Meisters.
Und da ich von meiner Elvis-Haley-Richards-Domino-Platters-Platten-Börse noch etwas Geld übrig hatte, kaufte ich mir die LP, die hinter dem Goodman-Konzert im Regal lag.
"Ambassador-Satch", mit einem gewissen Louis Armstrong.
Nie gehört.