März - April 2009
Stadtrat Dr.Mailath-Pokorny bei der 30-Jahre-Jub.Feier des Jazzland | "Anschrift ungenügend - Retour" | Hans Theessink |
Wenn man das Glück hat, einen Jazzclub leiten zu dürfen, so gibt es in diesem fast ununterbrochen andauernden Wonnezustand natürlich auch einige winzigkleine und unbedeutende Schattenseiten.
Natürlich ist es herrlich, wenn man tagtäglich Kontakt mit Musikern hat, die zu den kreativsten Menschen auf diesem Planeten zählen, aber es ist natürlich zu vermerken, daß es bei dieser nicht immer berechenbaren Kreativität zu überraschenden "Auswüchsen" in alle Richtungen kommen kann, die das Nervenkostüm des daran zumindest am Rande beteiligten Jazzclub-Leiters in die Nähe eines unausweichlichen Kollaps bringen kann.
Verhältnismäßig harmlos war die herrliche Geschichte mit dem unvergeßlichen THOMAS SHAW (siehe Story des Monats Jänner-Februar 2002), der uns mit seinem gleichermaßen unerschütterlichen wie erfolgreichen Gottvertrauen - ohne es selbst zu merken - bis in die Nähe des zähneklappernden Wahnsinns trieb, aber auch im Alltag eines ganz normalen Jazzclubs ereignen sich nervenzerfetzende Alltäglichkeiten, die einen normalen Beamten (also einen Menschen, der für uns da sein sollte - und nicht umgekehrt) zu einem ärgerlichen Seufzen veranlassen würden - was in seinem Berufsstand fast einem Nervenzusammenbruch mit innerem Vorbeimarsch entspricht . . .
Ein ganz besonderer "Kunde" ist der Hamburger Boogie-Woogie-Pianist AXEL ZWINGENBERGER, der inzwischen durch die Schönheiten der Stadt Wien und seiner Eva fast zum Wiener mutiert ist, was man allerdings seiner Sprache bislang noch nicht anmerkt . . .
Mit ihm unternahm ich in den 70-er Jahren einige teilweise tief-provinzielle Österreich-Tourneen, wo ich meist voraus reiste, um alle Einzelheiten in Ordnung zu bringen, während er erst später zum vereinbarten Zielort anreiste. Bis heute weiß ich nicht, ob es Zufall oder perfide Absicht war: jedenfalls erschien Axel Z. erst zum allermöglichsten spätesten Moment unmittelbar vor der Absage des Konzerts - meist mit einem mitleidigen Lächeln um seinen damals meist noch schnurrbartlosen Mund: "Ja, warum habt ihr euch den nur aufgeregt - ich bin ja ohnehin schon da . . .!!!"
Aber solche Schruller sind gar nichts im Vergleich zu einem Ereignis, das sich vor einigen Jahren im ehrwürdigen Wiener Rathaus abspielte.
Zuerst die Vorgeschichte:
Vor ungefähr 15 Jahren endete ein schier unendlich langes Embargo: die offiziellen Kulturbehörden entdeckten den Jazz und nahmen - langsam und widerstrebend - zur Kenntnis, daß nicht nur Mozart, Grillparzer, Schiele und die Wessely den Kulturbetrieb eines Landes ausmachen, sondern daß auch die akustischen Nachfahren und Adoranten von Louis Armstrong, Duke Ellington und Charlie Parker aus dem Kulturleben einer Stadt im 20.Jahrhundet nicht mehr wegzudenken sind. Dies äußerte sich zuerst in der Vergabe von Subventionen, wo natürlich die geradezu genialen Vollprofis in diesem Gewerbe den Rahm abschöpften, aber allmählich ging man dazu über auch die weniger Umtriebigen zu bedenken, was sich in deutlich kleineren Beträgen aber vor allen Dingen in Ehrenzeichen auswirkte, die ja bekanntlich viel weniger kosten als klingende Münze oder raschelnde Banknoten.
Zu den Empfängern solcher Ehrenzeichen gehörte der Schreiber dieser Zeilen, Klaus Schulz wurde zum Professor, Johnny Parth mit einem Orden dekoriert und altgedienten und vielgeliebten Swingern wie Hans Salomon, Elly Wright, Charlie Ratzer, Al Cook, die Stanton Big Band und einige andere wurden in Festsälen mit Ansprachen, Händedrücken, Blumensträußen, Ständchen und Urkunden ausführlich bedankt - was uns alle sehr freute, denn nach Jahrzehnten im kulturellen Untergrund ist Anerkennung und ausdrückliches Lob lindernder Balsam auf der gequälten Seele.
Diese Regelung dauerte einige Jahre und es keimte in so manchen Jazzern schon der freudige Verdacht auf, daß unsere Musik endlich unterwegs wäre aus dem versteckten Ghetto der Kriegs- und Nachkriegs-Zeit in eine offene kulturelle Gesellschaft mit gegenseitiger Anerkennung.
Da erreichte mich ein Anruf aus dem oben erwähnten Rathaus - ein überaus prominenter heimischer Musiker sollte so eine "öffentlich zu tragende Anerkennung" erhalten und der Anrufer (nicht gerade ein profunder Kenner der Swingbranche) wollte wissen, ob derjenige prominent und wichtig genug sei, um ihn in einem großen Rahmen zu dekorieren - was ich voller Begeisterung bejahte, denn der Auszuzeichnende war wirklich geradezu allerprominentest.
Auf diesen Ratschlag hin übersiedelte man von einem kleinen in einen großen Festsaal, verzichtete auf weitere zu Bejubelnde und stellte den Swinger alleine in den Mittelpunkt der Feierstunde, denn - so hatte ein gewisser Axel Melhardt ja dem Beamten versichert - der Mann ist populär, allseits beliebt und ganz Jazzwien würde sich darum reißen, ihm gratulierend die Hand zu schütteln.
Aber je näher die Feierstunde rückte, desto angespannter wurden meine Nerven - der zu Bewundernde war anwesend, zwei bis sieben Beamte der Stadtverwaltung ebenso, dann gab es noch mich mit meiner Tilly, zwei oder drei weitere Mitglieder der illustren Wiener Swing-Society - aber das war es dann auch schon.
Mit bemerkenswerter Haltung und ohne den geringsten Seitenhieb wurde dann die Feier abgespult, keiner mokierte sich ob der leeren Sitzreihen und alle machten die berühmte gute Miene zum bösen Spiel - alles verlief friedlich und ohne bittere Seitenhiebe oder Kommentare und nach einer erschreckend kurzen Zeitspanne war alles vorbei und wir standen wie die berühmten begossenen Pudeln wieder vor den heiligen Rathaushallen.
Was war geschehen?
Wo waren die Wiener Fans des Ausgezeichneten, wo seine Freunde, Kollegen und Mitmusiker? Nach längeren vorsichtigen Recherchen fand ich den Grund der ganzen Misere heraus - der Auszuzeichnende übertrug die Organisation des Festes (und somit auch die Selektion der Einzuladenden) einem jungen Mitmusiker, der es als oberste Pflicht und Schuldigkeit ansah, diejenigen Persönlichkeiten ins Rathaus zu bitten, die in Zukunft ein Konzert des prominenten Jazzers (natürlich unter Mitwirkung des Herrn Organisators) veranstalten könnten.
So fand man auf der Einladungsliste Manager aus Vaduz und Schaffhausen, Club-Besitzer aus Hohenems und Bruneck und eine erkleckliche Anzahl von Kulturorganisatoren aus sämtlichen Ortschaften zwischen Ried im Innkreis und St.Veit an der Glan und dem gesamten Viertel ob dem Mannhartsberg.
Aber keine Jazzer aus Wien.
Keine persönlichen Freunde des Anzustrudelnden.
Keine Jazzfans und/oder jazzige Adabeis.
Keine Journalisten oder Presseleute aus der Bundeshauptstadt - die bei Jazz meist durch Ab-, bei solchen Events aber eher durch Anwesenheit zu glänzen pflegen.
Der gute Mann dachte an kommende und lukrative Konzerte und wollte die Veranstalter derselben mit der Wichtigkeit des Stars (und seiner eigenen) zutiefst beeindrucken.
Kurz gesagt: Diese 45 Minuten gehörten so ziemlich zu den schlimmsten meines Lebens.
Und am Heimweg begann ich mich vor der Zukunft zu fürchten - der Jazz würde wohl wieder für einige Jahrzehnte von den Ehrentafeln der Stadt Wien verschwinden und sich wieder auf den Weg in den Untergrund machen.
Aber meine Befürchtungen erwiesen sich - allen swingenden Göttern sei Dank - als unbegründet, denn der bei allen Wienern (außer den Postbeamten, die kennen ihn nicht, wenn die Postleitzahl nicht vorhanden ist - Punktum!!!) bestens bekannte Stadtrat für Kunst und Kultur wird am 2.April den längst zu einem echten Wiener mutierten Niederländer Hans Theessink mit einer Ehrung bedenken.
Das hat der Hans - erstens - wirklich und redlichst verdient, und wir alle hoffen - zweitens -, daß man jetzt wieder verdiente Persönlichkeiten aus dem Jazz der Stadt Wien zu einer entsprechenden Ehrung vorschlagen darf . . .