März - April 2008
Axel Melhardt auf Rehab - auf Besuch Barbara Dennerlein | Ein erster Spaziergang (mit Barbara Dennerlein & Cleo) |
Wieder im Jazzland: Axel Zwingenberger & Axel Melhardt |
Eigentlich sollten hier nur Geschichten über den Jazz und die untrennbar damit verbundenen Musiker stehen - aber in den letzten Tagen, Wochen und Monaten bin ich so oft auf das vergangene Jahr 2007 angesprochen worden, daß ich mich dazu entschlossen habe, diese "Story des Monats" ausnahmsweise einmal in eigener Sache zu nutzen.
Die ganze Serie von "Unpäßlichkeiten" begann eigentlich schon im Winter 2001/02 - selbst kürzere Wege wurden länger und beschwerlicher, bei jeder vierten und bald bei jeder dritten, schließlich bei jeder zweiten und schlußendlich bei jeder Schaufensterauslage blieb ich stehen, um mir fast immer desinteressiert die diversen Ausstellungsstücke zu betrachten und eine ganze Reihe von lieben Dottores diagnostizierten rasch und sehr bestimmt die sogenannte "Schaufensterkrankheit" und meinten, das käme vom "Rauchen".
Das hielt ich natürlich für blanken Unsinn - von den lächerlichen 40 Stück "Camel - ohne" die ich in den letzten 46 Jahren tagtäglich konsumiert hatte, konnte doch das doch nun wirklich nicht kommen - aber nur um diesen komischen Medizinern einen Gefallen zu tun stellte ich am 7.März 2002 trotzdem das "pofeln" ein - übrigens bin ich bis heute nicht rückfällig geworden, und ich frage mich jetzt wiederum tagtäglich, wieso ich eigentlich so dumm war, um mir jemals dieses vollkommen überflüssige und absolut nichts bringende Laster "einzuhandeln". Aber das steht auf einem anderen Blatt . . .
Aber auch die "Selbstkasteiung" half nichts - die Beschwerden wurden immer deutlicher und ich wagte mich nach einem langen und liebevollen Zuspruch durch meinen sehr musikalischen und saitenzupfenden Haus- und Leib- und Magenarzt mit zitternden Knien unter das Messer. Ein irrsinnig netter und ebenso kompetenter Chirurg reparierte meine leidgeprüften Gefäße mit einem Bypass und einem klinischen Durchputzen und schon nach wenigen Wochen spazierte ich wieder vergnügt und vollkommen beschwerdefrei durch die herrlichen Landschaften rund um Wien, im Salzkammergut und sogar unter den 3000-ern in Osttirol und fühlte mich rundum wieder putzmunter und strahlend jung und herrlich frisch geschlüpft.
So ging es auch 2004 und sogar noch 05 weiter, ich "machte" jedes Jahr über 20.000 Höhenmeter, was für einen gesetzten Herren jenseits der 60, der nie ernsthaft Sport betrieben hat, seine Lungen mit Camel traktiert und zeitlebens so manches zufällig vorbei huschende Glas Bier respektlos geleert hat, gar nicht so schlecht ist.
Aber 2005 ging es wieder los - die Beine waren zwar in Ordnung, die geflickten und frisch gestrichenen Gefäße hielten allen Belastungen stand, aber der Rücken meldete sich überaus deutlich und unmißverständlich zu Wort.
Ich ging von Pontius zu Pilatus, denn die wenig tröstliche Meinung eines weiteren musikalischen und saitenanschlagenden Mediziners - wie es sich später herausstellte von fast penetranter Prophetie erfüllt - stellte mir eine weitere unausweichliche Operation in Aussicht: der vierte Lendenwirbel betätigte sich seit einiger Zeit als Gleitwirbel (oder heißt das Leidwirbel?) und hatte sich inzwischen rund 0,8 Zentimeter in die Nervenbahnen des linken Beines geneigt, um dort für einen ebenso penetranten wie wachsenden Schmerz zu sorgen.
Und wieder hatte ich echtes Glück - auch der auf diese Reparaturen spezialisierte Onkel Doktor entpuppte sich als echte Koryphäe und nach einigen Tagen in der mir nun schon ärgerlich vertrauten Rudolfsstiftung wurde ich wieder auf die Gesellschaft und die Berge losgelassen - einige Tage nach den bettgebundenen Junitagen 06 machte ich schon wieder die Föhrenberge unsicher und absolvierte schon wieder weit mehr als die Anstiegshöhe vom Indischen Ozean zum Gipfel des Mount Everest - allerdings brauchte ich dazu merkbar mehr als ein oder zwei Wochen - rund ein halbes Jahr.
Ich fühlte mich also schon wieder einmal pudelwohl und war drauf und dran der Welt die letzten noch übrig gebliebenen Haxen auszureißen. Der Winter von 06 auf 07 war ja - man erinnert sich vielleicht gerne daran - ein echtes "Lapperl" und am 9.Jänner 07 war ich wieder einmal auf meinem geliebten "Höllensteingebirge" unterwegs, ich absolvierte von der Perchtoldsdofer Seite her 250 Höhenmeter in Auf- und Abstieg in rund 90 Minuten, was wirklich nicht auf müde Glieder schließen ließ.
Und zwei Tage später lag ich flach.
Plötzlich hohes Fieber - mit an die 40 Grad ließ mich ein ebenso weibliches wie ebenfalls musikbegeistertes Mitglied meines hervorragenden Ärzteteams ins Spital einliefern.
Und das war haargenau im allerletzten aller möglichen Momente. Flugs transferierte man mich in die Intensivstation und man diagnostizierte statt der erwarteten Harnwegsentzündung eine gravierende Sepsis, die sich mit einem prachtvollen Abszeß an der Wirbelsäule und allgemeinen Organversagen wichtig machte - nach und nach kündigten Lunge, Leber und Nieren ihre Mitarbeit an den Körperfunktionen auf ohne für einen geziemenden Ersatz zu sorgen, und man begann, sich ernsthaft Sorgen um mich zu machen.
Unter der gestrengen Aufsicht meiner Tilly und des sich in dieser extremen Situation ebenso bewährenden Julius setzten Ärzte (teilweise auch weiblich) und Schwestern (teilweise auch männlich) mühsam eine allmähliche Beruhigung meines doch ziemlich turbulenten Gesundheitszustandes durch - ausführliche Details kann ich natürlich keine schildern, denn mir fehlen (neben allgemeinen Gedächtnislücken, die teilweise sogar bis in den Dezember 06 zurückreichen) natürlich auch sämtliche Erinnerungen an die rund fünf Wochen, die ich auf der Intensivstation verbrachte - irgendwie war es dann auch gespenstisch, als ich Monate später zahlreiche Menschen "kennen lernte", die an mir teilweise intimste Verrichtungen vorgenommen hatten - wie spricht man eigentlich junge Damen an, die einem den Hintern ausgeputzt haben - per "Du" oder "siezt" man sie?
Allmählich beruhigte und stabilisierte sich mein Befinden - ohne mein Zutun. Ich war - wie man so häßlich sagt - vollkommen weggetreten, und meine ersten, sehr diffusen Erinnerungen stammen aus den ersten Märztagen 07, als ich in die "Neuro-Chirurgie" verlegt wurde, und sind bis heute voller Angst und blanker Panik. Am schlimmsten waren die Morgenstunden, wenn man aus dem wahrscheinlich mit Medikamenten unterstützten Tiefschlaf erwacht und krampfhaft versucht, munter zu bleiben und nur ja trotz aller Müdigkeit nicht mehr einzuschlafen, um so den entsetzlichen Albträumen der vergangenen Stunden endlich zu entkommen.
Allmählich wurde das Besuchsverbot aufgehoben, Musiker, Freunde, Bekannte und Verwandte trudelten ein, und ich nahm diese herrliche Abwechslung nun auch immer bewußter wahr. Junior Mance, Howard Alden, Bill Ramsey und Jim Galloway kamen ins Krankenzimmer, wenn ich sie schon im JAZZLAND ignorierte und mir wurde nach und nach bewußt, wie knapp ich am absoluten Abgrund vorbei geschlittert war, und meine leidgeprüfte Familie freundete sich breit grinsend mit der Aussicht an, mich nicht im Rollstuhl durch die Gegend schieben zu müssen, sondern mich mit launigen "Hoppauf"-Rufen dazu zu animieren, mich gefälligst selbst wieder durch die Gegend zu transportieren.
Die augenfälligsten Handikaps waren der Umstand, daß ich keine vernünftigen Fäuste mehr ballen konnte, was mich endgültig aus dem Rennen um die Krone im Schwergewichts-Boxen eliminierte, und eine mittelschwere Lähmung in rechten Fuß, die einige kapitale und bauchfleckartige Stürze verursachte.
Aber was war das schon im Vergleich zum Vergnügen nach fast drei Monaten das gastliche Spital wieder zu verlassen. Dort war eigentlich alles herrlich, wenn man von der Verpflegung absieht, die Ärzte, Schwestern und das gesamte Personal bemühten sich nach Kräften und sehr erfolgreich und wenn ich heute zu Besuch komme, dann habe ich den Eindruck "alte" Freunde zu treffen, auch wenn die Schwestern fast unverschämt jung sind.
Dann ging es ab nach Laab am Walde in die Rehabilitation. Vier Wochen der blanken Langeweile - von den vielen idiotischen Regeln hier die sicherlich allerdümmste: man durfte das Haus nur durch den - unkontrollierten - Hauptausgang verlassen, der ca. 500 Meter vom Zimmer entfernt war. Wenn man nun nach Wochen im Spital und anderen Unannehmlichkeiten schwach und siech genug ist, um auf Rehab zu gehen, da ist man nach einem Marsch von einem halben Kilometer auch zu müde, um noch weiter zu gehen. Und so sitzt man im Haus, bestarrt die Wände, während draußen die Sonne auf leere Parkbänke scheint . . .
Aber auch diese Wochen gingen vorbei und Barbara Dennerlein erkannte mich mühsam, obwohl ich 15 kg abgenommen hatte - und dies trotz der herrlichen Schmankerln, die mir Tilly und Julius immer aus der Goldenen Freiheit mitbrachten. Inzwischen habe ich wieder an die 22 kg zugenommen, und jetzt kämpfe ich mannhaft gegen mich anspringende Manner-Schnitten und herrliche scharfe Burenwürste, die mir garniert mit scharfen Pfefferoni und süßem Senf (nicht der vom Mautner - der ist scheußlich) im Hinterhalt auflauern.
Es geht mir mit minimalen Einschränkungen wieder prächtig und ich schreibe dies auch vor allen Dingen deswegen, um allen Freunden und Bekannten Mut zu machen:
Auch wenn Euch einmal eine heimtückische Krankheit "niederprackt" - die Kunst der Ärzte ist so grandios geworden, daß immer wieder große Hoffnung besteht, und man darf niemals aufgeben oder den Mut verlieren - es geht immer wieder aufwärts!!!
Ich gehe jetzt schon wieder wandern - und ich schließe jetzt diese Zeilen, weil ich abberufen werde - der Berg ruft wieder einmal allerdeutlichst, und ich hoffe in einer Stunde (leicht frierend) in der Sonne zu sitzen.
Haltet mir die Daumen, daß es weiter so aufwärts geht - Und ich halte Euch den Daumen, daß es keinem von Euch jemals so mies geht, wie mir in den ersten Monaten des letzten Jahres . . .