November - Dezember 2012
Erfolgs-Duo MICKEY & SYLVIA | LP "Up On The Hill" Baker, Wichtl, Mantooth, Krbavac, Ozmec |
Mickey Baker heute ... (© Jim Herrington) |
Zutiefst bedauere ich es fast täglich, daß unser Haus- und Hof- und Herz- und Magen-Fotograf PETER BRUNNER die ersten JAZZLAND-Jahrzehnte "verschlief".
Ich weiß nicht, wo er sich damals herumgetrieben hat – vielleicht war er in der Staatsoper oder daheim bei seiner liebenswerten Rosi – am Franz-Josefs-Kai tauchte er jedenfalls erst in den späten 70-ern auf – und da hat er einiges versäumt: Max Kaminsky, Memphis Slim, Ben Webster, die Heath Brothers, Big Joe Williams, Frank Mantooth, Sir Charles Thompson und Little Brother Montgomery und einige andere zieren zwar in Form von Meister Brunner hergestellten Not-Repros unsere Wände, aber viele Giganten der ersten Jahre fehlen schmerzlichst – wie z.B. Eddie Miller, Robert Pete Williams, Bill Brimfield & Fred Anderson, Barre Phillips & John Surman, Jimmy McPartland, Roosevelt Sykes, Lennie Felix, Piano Red, Steve Grossman und Jim Pepper.
Das alles kam mir wieder einmal zu vollem Bewußtsein, als während des Gastspiels des Meistergitarristen HOWARD ALDEN der Name MICKEY BAKER erwähnt wurde.
"Das war einer der ganz Großen – der ist seit den 60-ern wie vom Erdboden verschwunden", meinte Howard, "was aus dem wohl geworden ist? Der muß schon lange tot sein."
Also ausnahmsweise irrt hier der liebenswerte Howard – MICKEY BAKER ist zwar schon 87 Jahre alt aber noch sehr am Leben. *)
Er ist einer derjenigen Giganten aus den ersten JAZZLAND-Jahren, den man vergebens in unserer Galerie sucht – aber der Wanderer zwischen Rock 'n Roll und Jazz und Blues und Pop und Kommerz lebt heute weitab vom Music-Business im Süden Frankreichs und verteidigt wehrhaft seine Rosenzucht anstatt in die Saiten zu greifen.
Und wenn ich "Giganten" sagte, dann meine ich das auch aus voller Überzeugung.
Und dabei war die erste Begegnung eine herbe Enttäuschung für mich. Damals war ich ein noch ärgerer Purist als heute – der Jazz endete für mich mit Einsetzen des Be-Bop und der Blues bestand aus einem Mann mit seiner Gitarre (wenn es ein muß durfte es auch ein Klavier sein) – aber bitte, nur solo, ja kein Schlagzeug oder anderes Moderne, nicht elektrisch verstärkt und nur ja keinen Anklang an Rhythm&Blues und ähnliches Teufelszeug.
Ich erhoffte mir von dem aus Frankreich angereisten Barden Country Blues a la Robert Johnson, mit einem Schuß Leadbelly und Lightnin' Hopkins oder so.....
Und der gute Mann wollte eigentlich Be-Bop auf seiner e-Gitarre spielen und wenn schon Blues dann mit Band und modern zwischen Muddy Waters und B.B.King.....
Glücklicherweise reiste Mickey (mit seiner entzückenden französischen Gattin) schon einige Tage früher an (er wollte sich nebenbei auch Wien ansehen und sich eine krachlederne Hose kaufen) – und als er entsetzt feststellte, daß ich ihn programmatisch "solo" angekündigt hatte, engagierte er kurzerhand die Burschen von "Underwear" (die zwei Tage vor ihm auf dem Programm standen) als Begleitband.
Und das unfaßbare Experiment funktionierte – die als "Avantgarde" angekündigte Band verwandelte sich teilweise harmonisch in eine Blues-Combo und KARL KRBAVAC (alias Small Blues Charlie) und MARTIN WICHTL begannen ihre erstaunliche Karriere mit den drei bekannten Akkorden und spielten in Folge mit Unterstützung von FRANK MANTOOTH und FRITZ OZMEC (beide Blues-Debütanten) eine bemerkenswerte LP mit dem mit allen Wassern gewaschenen Mister Baker ein – auf der er dann plötzlich und unerwartet (vielleicht speziell für mich) einen grandiosen Robert-Johnson-inspirierten Solo-Titel aus der akustischen Gitarre zauberte.
Erst später erfuhr ich von seinen unzähligen Gitarren-Lehrbüchern, von seiner phantastischen Rhythm&Blues-Karriere als 50% des Erfolgs-Duos MICKEY & SYLVIA (No.1 in den US-Charts) und vor allen Dingen von den unzähligen g-Soli auf Rock 'n Roll Scheiben, die er für prominente weiße Musiker komponierte, oder sie sogar anonym für sie auf Platte spielte – denn ein Schwarzer hatte damals im gewinnträchtigen Pop-Geschäft nichts verloren. Dies erzählte mir Jahrzehnte später sein Schicksalsgenosse RED HOLLOWAY, dessen heißes Tenorsax man auf unzähligen Rhythm 'n Blues-Hits – allerdings ebenfalls nur anonym – hören kann.
Mickey kam dann noch ein zweites Mal nach Wien und wollte unbedingt auch mit Jazzern auftreten, was allerdings nicht sehr erfolgreich verlief – die PRINTERS JAZZBAND erwies sich als nicht kompatibel und als Jazzer konnte GERD BIENERT mit dem Blues-Giganten MICKEY BAKER keine gemeinsame Basis finden.
So hörte ich dann erst nach einiger Zeit, daß seine Frau ernsthaft erkrankt war und Mickey ließ wahrscheinlich nach ihrem Tode seine Karriere unbemerkt auslaufen.
Bleibt als ewiges Denkmal für diesen bemerkenswerten Musiker, daß er als die Nummer 53 auf "Rolling Stone's List of the 100 Greatest Guitarists of All Time" gelistet worden ist und daß er 1969 die Filmmusik für den Film "Float Like a Butterfly Sting Like a Bee" schrieb – die Biographie des großen CASSIUS CLAY, den die Jungen nur mehr als Muhammad Ali kennen.
Bleibt noch das Rätsel zu lösen, warum er sich in Wien ausgerechnet eine Lederhose kaufen wollte:
"Well", meinte er, "I want to see the stupid faces of the Parisians, when they see a big black ape like me walking down the Champs Elysee with real Lederhosen......"