November - Dezember 2011
Als langjähriger Bewohner der Stadt Wien hat man schon so manches miterlebt.
Ich bin am Donaukanal zur Welt gekommen – in einem alten Wohn-/Bürohaus, das ich niemals gesehen habe, gegenüber von der Urania. Im 44-er Jahr ist das dann von einem anonymen Bombentreffer in Schutt & Asche gelegt worden, und wir sind in die Hegelgasse auf Untermiete übersiedelt. Ich kann mich noch (teilweise sehr dunkel) erinnern wie wir Expeditionen in den zweiten Bezirk unternommen haben. Das sind für mich grandiose Erinnerungen – und nicht etwa, weil wir Richtung "Wurschtel-Prater" unterwegs waren, sondern weil die Überfahrt über den Donaukanal so ungemein spannend und aufregend war.
Die Brücken waren allesamt bombardiert worden – und getroffen!
Sie lagen im Wasser, und man mußte mühsam den Abhang an gespannten Seilen zur Wasseroberfläche hinunter turnen, in ein kleines "Schinackel" umsteigen, das einen fünf oder sieben Meter zum anderen Ufer hinübertrug, das wiederum aus einer schrägen Ebene bestand, die wir – wieder unterstützt von gespannten Seilen – in den zweiten Bezirk hinauf kletterten.
Ein tolles und spannendes Abenteuer, das dem kleinen Axel natürlich großartig gefiel.
1948 übersiedelten wir (meine Mutter und ich) in eine kleine Wohnung in der Hintzerstraße, die so manchem alten Jazzer aus den Jahren bis 1970 noch in lebhafter Erinnerung ist.
Erst 1970 verließ ich das "Hotel Mama" und lebe seitdem mit meiner Tilly in der Westbahnstraße – aber immer hatte ich irgendwie einen "geheimen" Zweiten Wohnsitz:
Denn ich hatte immer eine seltsame Beziehung zur Gegend um die Ruprechtskirche – siehe auch Teile der "Story des Monats – Nov-Dez 2007", wo ich über einige Erlebnisse in der ante-JAZZLAND-Periode plaudere.
Seit 1972 habe ich nun im Seitenstettenhof einen (Zweit)-Wohnsitz und natürlich beobachte ich alles, was so um dieses altehrwürdige Viertel herum passiert mit den berühmten Argusaugen.
Die Stadterneuerung ist mir natürlich auch aufgefallen, und die neuen, modernen Bauten jenseits des Kanals stören mich nicht besonders - weil sie eben jenseits des Kanals sind. Die alte Leopoldstadt mit ihren verwinkelten Gassen war nach dem Krieg nicht mehr wieder herzustellen – zu groß waren die Kriegsschäden, zu heftig waren die Kämpfe gewesen, um die alte Pracht und Herrlichkeit auch nur annähernd wieder erstehen zu lassen.
Auf "meiner" Seite des Kanals blieb eigentlich alles ruhig, das geliebte Lessing-Denkmal (Nathan der Weise) übersiedelte auf den Judenplatz, und ich glaube der Dichterfürst fühlt sich neben der Zweigstelle des Jüdischen Museum auch sehr wohl.
Erst jetzt ist auch auf "unserer" Seite Bewegung in die Stadtplanung gekommen - und ob das eine gute Sache ist oder nicht, kann man wahrscheinlich jetzt noch nicht beurteilen.
Hier jedenfalls einige Schnappschüsse aus der bis in den November hinein laufenden Ausstellung*) im Museum der Stadt Wien – vielleicht kann man sich selbst ein Bild machen.
Das JAZZLAND kommt bei der Präsentation des Schweden- und Morzinplatzes durchaus an prominenter Stelle vor – was mich am meisten gefreut hat, ist die Zeichnung eines unbekannten Jugendlichen, der die Innere Stadt skizzierte und dabei einen "Gitarrenladen" auf der Rotenturmstraße verewigte – was selbstverständlich nur das "Schallplattenhaus Gebrüder Placht" sein kann, in dem die Wiener Jazzszene in den 40-er bis 80-er Jahren von Mama Libowitzky den Jazz erlernte. Das herrliche Geschäft ist jetzt Geschichte – Michael "Bibi" Libowitzky ist im Ruhestand, und die ganze Jazz-Gemeinschaft hofft, daß er möglichst bald wieder auf den sprichwörtlichen Damm kommt, um endlich wieder hinter seinem Kontrabass zu swingen.
*) Veranstaltungsdetails:
"Platz für die Stadt - Morzinplatz/Schwedenplatz - Projekte und Perspektiven"
Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien, Karlsplatz
Ausstellungsdauer: 5. Oktober bis 6. November 2011
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr
Eintritt frei