November - Dezember 2009
Cab Calloway ca. 1940 | Cab Calloway in den 1980ern |
Den unvergleichlichen Cab Calloway haben wir natürlich niemals im JAZZLAND präsentieren können.
In den Zeiten, in denen er "leistbar" gewesen wäre (also bevor ihn die "Blues-Brothers" dankenswerterweise nochmals in den Blickpunkt der Jazz-Öffentlichkeit gebracht hatten), da waren uns noch die Hände gebunden. Tilly und ich waren nur die "musikalischen Leiter" des Clubs und konnten keinen Schilling (damals hieß die Währung noch so) in den Konzertbetrieb "umleiten" - eher im Gegenteil, wir mußten viele Getränke, die die Musiker konsumierten, dem "gastronomischen Leiter" refundieren.
Und als wir endlich dem Pächter das Lokal, das wir buchstäblich vor dem Zusperren gerettet hatten, abkaufen konnten oder durften, da war Mister Calloway in finanzielle Dimensionen aufgestiegen (was ihm allerherzlichst zu gönnen war), in die wir uns mit dem kleinen Keller niemals vorwagen durften.
ABER ........
Wir haben ihn immerhin kennen gelernt!
Cab war irgendwann in den 50-er Jahren in Wien - er trat als "Sportin' Life" (die Rolle, die George Gershwin eigentlich für ihn geschrieben haben soll) in der Volksoper auf. Ich war damals mütterlich infiziert nur an der Großen Oper interessiert, kannte Dermota, Patzak und die Cebotari, die Herren Mozart und Bizet, aber ein Gershwin oder die Porgy&Bess-Herrschaften waren mir zutiefst unbekannt.
So ereignete sich Cabs Wien-Aufenthalt ohne meine Beachtung, was den herrlichen Sänger wahrscheinlich nicht weiter störte. . .
Viel später "kam" ich dann auf den Jazz d'rauf, und im Laufe meiner swingenden Forschungsreise durch die Jahrzehnte stieß ich dann auf diesen Giganten und biß mich imaginär dorthin, wo man in der Realität nur schwer hinkommt. . .
Die Cab-Calloway-LPs häuften sich in meinem Plattenschrank - aber die waren alle aus den 30-er und 40-er Jahren und Mister Calloway war zu einer diffusen Legende geschrumpft, über die man hin und wieder sprach, der aber im (sogenannten, aber eigentlich nicht existenten) Jazz-Business keine ernsthafte Rolle mehr spielte.
Und dann kam Nizza.
Die sommerlichen Jazz-Festivals in Nizza (im Juli) waren nicht nur der absolute Höhepunkt des Jahres sondern sie gehörten in der Retrospektive unzweifelhaft zu den absoluten Höhepunkten meines (musikalischen) Lebens.
In den 10 Tagen im Juli drängelten sich von 1973 bis 1978 eine wahrhafte creme de la creme der noch lebenden Jazz-Größen im klassichen Bereich von der Tradition bis hin zum Be-Bop am Festival-Gelände und man hörte jeden Tag sieben Stunden lang den herrlichsten Jazz auf drei oder vier Bühnen gleichzeitig.
Zoot Sims, Vic Dickenson, Barney Bigard, Tiny Grimes, Lionel Hampton, Ruby Braff, Dizzy Gillespie, Benny Morton, Jonah Jones, Bobby Hackett, Benny Waters, Charles Mingus, John Lewis, Jo Jones, Eubie Blake, Dick Hyman, Count Basie, Freddie Greene, DeDe Pierce, Kid Thomas, Yank Lawson, Budd Johnson, Cozy Cole, Maxine Sullivan, Helen Humes, Bill Coleman, Claude Hopkins, Sarah Vaughn und viele viele andere jazzten in unvorstellbar vielseitigen Kombinationen miteinander und man hetzte von einem Konzert zum nächsten und fühlte sich im absoluten Jazz-Paradies.
(Und für diejenigen, denen es nicht aufgefallen ist: In der obigen Aufzählung ist keiner der Musiker enthalten, die wir durch und nach Nizza nach Wien lotsen konnten. . .)
Und Mister Cab Calloway!
Er trug meist einen sehr guten, sicherlich auch teuren Anzug, der aber - wie sein Träger auch - schon deutlich bessere Zeiten gesehen hatte. Das Hemd hatte diskrete Fransen und die Maßschuhe wirkten übermüdet und ziemlich gestreßt.
Er war kein strahlender Star mehr, kein gefeierten Bandleader, nicht mehr der Mittelpunkt im Scheinwerferlicht, sondern ein gescheiterter Nebendarsteller, der sich sehr freute, wenn ein paar Fans seinen Auftritten Aufmerksamkeit schenkten und der bescheiden und dankbar mit seinen "aktuelleren" Kollegen fachsimpelte.
In den frühen Morgenstunden saßen wir dann alle in der Fußgängerzone in unserer Stamm-Pizzeria, der Kenny Davern, der Eddie "Lockjaw" Davis, der unvergleichliche Freddie Greene war dabei, und ich glaube Buddy Tate, und als Cab Calloway vorbei kam, winkte man ihn zum Tisch, er hockte sich zu uns und man plauderte über Musik und Swing, über das Festival und richtete die "Abwesenden Kollegen" liebevoll ein wenig aus und - wie man auf Wienerisch sagt - der Schmäh lief zu einer wahren Hochform auf.
Erst nach einiger Zeit machte mich die in der Klassik vielgebildete Tilly darauf aufmerksam, daß am Tisch hinter uns ein klassischer Weltmeister Platz genommen hatte - Hermann Prey, ein Gott unter den Baritönern, saß hinter uns - und wir lauschten wie sie über Gagen und Tantiemen, Prozente und Klauseln, Vetragsabschlüsse und Detailbedingungen diskutierten und stellten nach einigen Minuten fest, daß kein Lacher und kein Kichern die ertragreichen Diskussionen unterbrach und wir konzentrierten uns wieder auf die eigene Unterhaltung, in der ein Mann saß - eben Cab - der mit seiner Persönlichkeit ein herrliches und überaus vergnügliches Stück Musikgeschichte geschrieben hat, der ein großer Star gewesen ist und jetzt in halber Vergessenheit glücklich und zufrieden mit seinen Kollegen schlicht und einfach Freude am Leben hatte.
Als ich dann einige Jährchen später aus Ärger über einen Musiker aus dem JAZZLAND flüchtete (niemand wird von mir je erfahren, wer es war) und im Kino um die Ecke eigentlich zufällig die "Blues-Brothers" sah, da wußte ich sofort, daß mit der Rolle des singenden Portiers im Waisenhaus die Jahre der Vergessenheit für Cab Calloway vorbei waren.
Und wir freuten uns königlich, daß er nochmals zu einem Großen Star wurde und wir himmelten ihn aus der Ferne an, als er in Wiesen mit seiner Bigband auftrat.
Er hat nochmals ein glanzvolles Comeback gefeiert und wir mußten mit eineinhalb sehr lachenden und nur einem halb weinenden Auge alle unsere Pläne, ihn einmal nach Wien ins JAZZLAND zu holen, schubladisieren.
(Cab Calloway * 25.12.1907, † 18.11.1994)