September 2004
MEMPHIS SLIM war nicht nur ein exzellenter Bluessänger und musikalisch perfekter Boogiepianist, er war auch einer der wenigen Jazz- und Bluesmusiker, die professionell verkauft wurden. Seine Gagen waren immer höher als die seiner Kollegen, er reiste nur Erster Klasse, stieg in sündteuren Hotels ab und umgab sich gerne mit allen Statussymbolen, die für normale Menschen und ebensolche Musiker unerschwinglich waren.
Dementsprechend schwierig waren die Verhandlungen mit seinem Management.
"Memphis Slim spielt maximal zweimal 40 Minuten", erklärte dezidiert seine Frau, "oder dreimal 30 Minuten".
Wer den Betrieb im JAZZLAND kennt, weiß, daß dies eindeutig zu wenig ist. Und wen sollte ich - damals im Jahre 1974, heute wäre es durchaus möglich - neben oder vor einem MEMPHIS SLIM programmieren? Ich packte meinen Charme aus, der auf Granit stieß, und schon schien das Sensationsengagement zu platzen, als sich plötzlich MEMPHIS SLIM himself in die Verhandlungen einmischte und sich bereit erklärte, dreimal 45 Minuten zu spielen. Ich weiß nicht, wer erstaunter war - ich, oder seine Gattin. (Später wurde mir der Grund klar: Slim wollte unbedingt nach Wien, denn eine sehr junge, sehr hübsche Dame reiste aus Westeuropa ebenfalls an).
Am ersten Abend das Übliche. PETER CHATMAN, so heißt er ja eigentlich, spielte routiniert, gekonnt, gefällig, ein Auge auf die Tasten, das zweite auf die Uhr, das dritte Richtung besagter Dame. 44 Komma 8 Minuten, Ende des ersten Sets; der zweite wurde länger, der dritte dauerte schon fast eine Stunde.
Und auch am zweiten Abend wurden die Sets immer länger, das Publikum war begeistert und das begeisterte den guten MEMPHIS SLIM.
Der dritte Abend war dann überhaupt die Sensation. Er war nur durch die Absage eines Festivals im Burgenland zustande gekommen, nur die Mundpropaganda brachte eine erkleckliche Anzahl von Jazzfans am ungewöhnlichen Sonntag in unseren Keller, es herrschte allerintimste Atmosphäre - und MEMPHIS SLIM spielte und sang bis gegen drei Uhr morgens.
Kaum jemand ging nach Hause, jeder wartete gespannt auf die nächste Nummer, und PETER war in einer unvorstellbaren Spiellaune. Er ging von seinen gängigen "Hadern" weg, spielte Songs, die man auf keiner LP von ihm findet, und versetzte uns alle in eine geradezu euphorische Stimmung. ,"Don't worry about playin' time", sagte er später zu mir. "In a club like yours everybody likes to play. - Nobody Iooks at the watch."
Leider kam es niemals zu einem weiteren Auftritt von ihm im 'landl. Vielleicht war seine Frau/Managerin doch mißtrauisch geworden, oder vielleicht verbot sein fortgeschrittenes Alter ihm weitere Lebensfreuden neben Spiel und gutem Essen.
Manche Bluespuristen rümpfen ein wenig die Nase, wenn ich berichte, wie herrlich MEMPHIS SLIM im JAZZLAND gespielt hat - sie können es nicht besser wissen, denn nur wer ihn damals gehört hat, kann einschätzen, welch herrlicher und auch aufrichtiger Bluesmusiker er sein konnte - wenn er wollte.