September - Oktober 2002
Seinen Spitznamen und einen guten Teil seiner Popularität verdankt Eddie einem billigen und miesen Haarkrausentglättungsmittel, wie man es in den ausklingenden 30-er Jahren jungen und naiven Schwarzen andrehte. Er strich es sich in seine Krausen, diese gingen büschelweise aus - und Eddie ließ sich eine Glatze scheren, um halbwegs menschlich auszusehen.
Und dann sang er eben in der Band von COOTIE WILLIAMS seinen legendären "Cleanhead Blues", und daran wäre seine Jazzkarriere - fast - gescheitert. Denn das wurde ein Hit. Und was für einer. EDDIE trennte sich von COOTIE, machte seine eigene Band auf (in der auch unbekannte Nachwuchsmusiker wie ein gewisser JOHN COLTRANE beschäftigt waren, der damals von as auf ts umstieg, weil natürlich Boß VINSON alle Altosoli für sich reserviert hatte), landete noch einen Vokalhit und noch einen, und allmählich vergaß man, daß er ja der große Einfluß für CHARLIE PARKER gewesen war.
Dann war die Rock 'n Roll Zeit langsam vorbei, und CLEANHEAD wurde zu einer halb vergessenen Legende. Es ging ihm beinahe wie dem unvergessenen NAT KING COLE, von dem auch nur die Experten wissen, daß er nicht nur ein - zugegebenermaßen großartiger - Schlagersänger, sondern eben auch ein wegbereitender Pianist gewesen ist.
In den Staaten hatte CLEANHEAD natürlich immer eine gewisse Popularität, in Europa und speziell in Österreich kannten ihn nur die ganz großen Experten (und die bleiben ja bekanntlich zu Hause, wenn ein Star im JAZZLAND spielt, und hören Platten). So war es 1975 ein großes Wagnis, ihn zu holen, denn er war sauteuer.
Wir hatten nur ganz wenig Zeit für eine kurze Probe, aber bei dem Begleittrio mit FRANK MANTOOTH p (der inzwischen in den USA ganz schön Karriere gemacht hat), WALTER STROHMAIER b und FRITZ OZMEC dm gab es natürlich keine Probleme.
Die hatte eher EDDIE mit sich selbst. Einerseits war er rechtschaffen durstig, andererseits wachte seine süße Frau Bernice argusäugig über jeden Schluck. Listig gelang es ihm immer wieder, sie kurz abzulenken, und so mancher Whisky fand seinen Weg in den immer besser aufgelegt werdenden CLEANHEAD.
Aber ganz seelig war er erst, als ich ihm Grünes Licht gab. "Natürlich kannst und sollst Du auch Jazz spielen", freute ich mich auf einen herrlichen Abend, denn die diversen Veranstalter wollten wieder und wieder seine alten Hits hören, da sie glaubten, das Publikum käme nur wegen dem "Cleanhead Blues" und "Cherry red".
So blies dann EDDIE mit genau dem richtigen Whiskypegel und genau der richtigen Stimmung ein "Now's The Time", das so herrlich war, daß seine Bernice in der ersten Reihe heiße Tränen der Begeisterung vergoß. Er steigerte sich in einen wahren, 38-Chorusse langen Spielrausch hinein, wie man in selten erleben konnte.
Als dann in der Pause die gute Bernice ihren EDDIE selig umarmte und ihm erklärte, wie herrlich er doch gespielt hätte, ohne Alkohol zu sich genommen zu haben, da zwinkerte mir der EDDIE verschmitzt über ihre Schulter zu, und wir behielten unser kleines Geheimnis.
Als sich dann EDDIE einige Jahre später endgültig vom Whisky verabschieden mußte, und er sogar bei den Anonymen Alkoholikern war, da jazzte er noch immer vorzüglich und großartig, aber ein derartiges Eruptivsolo wie 1975 bei seinem ersten Wienbesuch haben wir von ihm niemals wieder erleben dürfen.