Jänner - Februar 2016
Ralph Sutton | Ralph Sutton mit Rudolf Hansen b (November 1989) |
Eine Geschichte über diesen Giganten zu schreiben ist nicht leicht, denn er ist absolut "pflegeleicht". Es gibt zwar Gerüchte, daß er in seiner Jugend ein "wilder Hund" gewesen sein soll, aber so haben wir ihn niemals erlebt. Wir lernten ihn als absolut grandiosen Solisten kennen, der nach seinen teils heftigen, teils lyrischen Stride-Exkursionen sich diebisch darüber freute, hinter den Soli von Alfons Würzl, Ernst Machacek oder Herbert Swoboda pianistische Akzente zu setzen, die die Improvisationen "of my boys" noch besser zur Geltung brachten.
Ralph ist einer der typischen amerikanischen Musiker die es verstehen, ihre solistischen Glanzleistungen so zu dosieren, daß sie auch immer perfekt in den homogenen Klang der gesamten Band passen - er spielt nicht "neben" seinen Kollegen, sondern vollkommen "mit" seinen Partnern und ist damit einer der typischen klassischen Jazzmusiker, denen der Gesamtklang der Band oft wichtiger ist als die persönliche Demonstration von Klasse und musikalischer Überlegenheit.
Eine kleine Anekdote soll allerdings nicht unerwähnt bleiben. In den 70er Jahren gingen wir Freitag nachmittag oft kegeln. Norbert Vas war meist dabei, mein allerältester Freund Kurt Luif, der leider für den Jazz nichts übrig hat und daher in diesem Buch *) hier seinen einzigen Auftritt hat, und der Ernstl Dworzak, der manchmal seinen noch nicht kegelreifen aber entzückenden und windelbehafteten kleinen Sohn Alexander mitnahm.
Den Ralph hatte ich eigentlich nur aus Höflichkeit zu unserer Runde eingeladen, ich rechnete nicht damit, daß er plötzlich wirklich in der "Stadt Krems" auftauchen würde. Doch er kam, betrat die Kegelbahn und sah sich dem kleinen Alexander gegenüber, der auf noch unsicheren Beinen in der Nähe der Tür herumstolperte.
Alexander wiederum sah sich unvermittelt einem wildfremden, wahren Riesen gegenüber (Ralph ist so an die 1,90 Meter groß) und setzte sich mit einem deutlich hörbaren "Quatsch" auf seine anscheinend frisch gefüllten Pampers. Ralph blickte aus seiner luftigen Höhe in das verblüffte und schnullerbewehrte Kindergesicht herunter und meinte lakonisch: "Well - drunk again?"
Unser brüllendes Gelächter verstummte erst, als Ralph eine Kegelkugel aufnahm, zwei Schritte anlief und eine "Sau" kegelte. Aber - es sollte die einzige bleiben. Brav und bieder paßte er sich unserem Niveau an und erzielte magere Einser, Zweier und Dreier und bejubelte - so wie wir - jeden höheren Score enthusiastisch. Am Abend zeigte er es uns dann wieder - mit 88 Tasten konnte er doch viel besser umgehen als mit lächerlichen 9 Kegeln.
Am 30. Dezember 2001 ereilte ihn eine überaus gnädige "Letzte Stunde" - er verabschiedete sich von seiner Frau Sunnie, mit der er weit über 50 Jahre verheiratet war, um von seiner Lodge oberhalb von Evergreen, Colorado ins Ortszentrum zum Einkaufen zu fahren. Plötzlich hörte sie ein langanhaltendes Hupen und fand Ralph über dem Lenkrad zusammengesunken vor – ein plötzlicher Herztod hatte ihn ereilt – absolut aus heiterem Himmel, schmerz- und angstfrei.
*) "Swing that Music - 30 Jahre Jazzland" (leider nicht mehr erhältlich).