Story des Monats

November - Dezember 2010


Kapitel 6 einer (möglichst) langen Serie .....
Axel Melhardt Axel Melhardt plaudert:

Manchmal muß man ziemlich alt werden (sich so allmählich den Siebzig nähern), um einen altbekannten Begriff so richtig zu verstehen. Seit ich mir zum ersten Mal das Knie beim Fußballspielen (oder schon in der Sandkiste) aufgeschlagen habe, weiß ich was "Erste Hilfe" ist, aber erst jetzt - nach unzähligen Pflastern. Verbänden, Bandagen, Gips-Händen und -Füßen - weiß ich, daß ich diesen Begriff fast ein Leben lang falsch geschrieben habe. Es heißt nämlich
 
ERSTE Hilfe
 
Wieso? Bitte weiterlesen!

1. Am 7.Juni 2010 "fiel" im JAZZLAND bei vollem Haus ungefähr alle 15 Minuten der FI-Schalter und weder wir noch der herbei geeilte Elektriker konnten die Ursache finden. Die ganze nächste Woche verbrachten wir zum Großteil bei hellem Tageslicht im phasenweise dunklen Keller, warteten mit den Fachleuten auf das Eintreten des Ereignisses sprich den "Kurzen", aber erst nachdem die Professionisten das Lokal unwillig murmelnd wieder verlassen hatten - trat der Schaden erneut auf. Nach rund einer Woche konnten wir den Täter endlich fassen - es war die Zuleitung zu unserer Pumpe (das JAZZLAND liegt unter dem Kanalniveau und wir müssen daher die Hinterlassenschaften unserer Gäste auf ebendieses anheben). Die betreffenden Kabel verstecken sich seit Jahrzehnten äußerst erfolgreich irgendwo hinter den dicken Kellermauern und produzierten einen "Kurzen" um den anderen. Die Neuverlegung ist bereits abgeschlossen.

2. Die mehr als heftigen Regenfälle im heurigen Sommer haben immer wieder zu Überflutungen im Zuschauerraum geführt, applaudierende Gäste bewunderten unsere Trockenlegungen - aber dies ist natürlich kein Dauerzustand, auch wenn es beträchtlich zur allgemeinen Unterhaltung beiträgt. Die Sanierung der feuchtigkeitsspendenden Mauer und eines bei den immer häufiger werdenden Wolkenbrüchen und Hagel wahre Wasserkaskaden produzierenden Lichthofes ist inzwischen abgeschlossen.

3. Unter unserer Bar befinden sich seit Jahrzehnten die Zuleitungen von Bier und Cola - kein Mensch weiß genau warum, aber zu fast derselben Zeit als alle anderen Ereignisse passierten, wurden diese Rohre defekt und ließen den Inhalt mehrerer Fässer und Container in stetem Strome in einen unbekannten Keller ab, der sich unter unserem Keller befindet - wer dort unten wohnt, entzieht sich Gott sei Dank unserer Kenntnis. Die Leitungen sind jetzt wieder instand gesetzt - allerdings mußte dabei unser strapazierter Boden hinter der Bar daran glauben, der jetzt geduldig auf seinen Neubau wartet.

4. Von den diversen Kurzschlüssen nicht unbeeindruckt zeigte sich unsere Registrierkassa, die mit einem totalen Nervenzusammenbruch reagierte und gemeinerweise auch unser Notstromaggregat infizierte - sie gaben fast simultan ihre beiden Geister auf. Das Problem mit der Kassa ließ sich mit einer finanziell gerade noch erträglichen Reparatur aus der Welt schaffen, doch das Notstromaggregat erwies sich als hartnäckiger: Da es schon ziemlich betagt ist (sieben Jahre - was in Zeiten des technischen Fortschritts eine halbe Ewigkeit ist), sind brauchbare Ersatzteile eine Rarität geworden und so verlangt die zuständige Firma für eine "Schaltplatte", die laut unserem Elektriker ca. einen Wert von EUR 80.- hat, gestandene EUR 700.-, was meinen Adrenalinspiegel gemeinsam mit meinem Blutdruck auf neue Rekordhöhen trieb. Es half nichts, als man mir mitteilte, daß die Firma "de jure" zu diesem Preis berechtigt ist (man muß nur eine gewisse Zeitspanne lang Ersatzteile zum Originalpreis anbieten) aber "de facto" steigerte ich mich in einen Wutzappel (© beim legendären Leo Slezak) hinein und erstand ein neues Notstromaggregat um wenig mehr als den Preis für das Ersatzteil - aber natürlich bei einer anderen Firma.

Das alles (und noch einige Kleinigkeiten, die ich hier nicht aufzählen kann und will, die aber in Summe auch noch ein schönes Stückchen Geld verbrauchten) passierte in wenigen Wochen vor der Sommerpause und vielleicht kann man verstehen, daß meine Tilly und ich im herrlichen Matrei in Osttirol nicht nur bei Schlechtwetter (was da unten eine Seltenheit ist) etwas bedrückter als sonst waren.

Und weil wir schon bei Matrei sind - dort herrscht bekanntlich eine sogenannte Postkartenlandschaft. Wenn man nach Norden schaut, liegt rechts von einem der Großglockner und links das Venediger-Massiv und schaut man nach Süden ist es umgekehrt. Eine Gegend - so schön und herrlich wie in einem Heimatfilm.

Und was kommt bei einem Heimatfilm am Schluß?

Richtig - es kommt unweigerlich ein Happy-End - so richtig schön und kitschig.

Und so ein Film-Finale ist uns in den ersten November-Tagen passiert - zwei Damen von der ERSTE-Bank meldeten sich bei uns und berichteten uns freudestrahlend (man konnte das strahlende Lächeln sogar durch die Telefonleitung hindurch förmlich sehen), daß man beschlossen hat, das JAZZLAND in Anbetracht der oben geschilderten Kalamitäten finanziell zu unterstützen.

Jetzt ist es auch klar, warum es ERSTE Hilfe heißt . . . .

Erste Bank


© Axel Melhardt
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