Story des Monats

September - Oktober 2017


Kapitel 39 einer (möglichst) langen Serie .....
Axel Melhardt Axel Melhardt plaudert:

Die zeitlos köstliche Nestroy-Posse "Zu Ebener Erde und im Ersten Stock" hat eine swingende Parallele:
 
Im tiefen Jazzkeller und auf der Rax
 

Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, wie ich knapp nach dem Zweiten Weltkrieg als 3-4jähriger mit meiner Frau Mama nach Kirchberg in Tirol fuhr, um die mir bis dahin vollkommen unbekannte Tante Ingeborg (eine Jungschwester meiner Mutter) zu besuchen. Die Zugreise war lang und fad, spannend war nur die allgemeine Aufregung im Waggon als wir eine sogenannten "Demarkationslinie" passierten, wo ernstaussehende und bewaffnete Uniformierte – warum auch immer – unsere Papiere kontrollierten....

Die Lokomotive hielt bei fast jedem Kirchturm, was mir große Freude bereitete, denn in fast jedem Bahnhof gab es "Frankfurter mit einer Semmel", was für mich damals der Höhepunkt aller Kulinarik war, denn neben dem köstlichen Würstel gab es zum Missvergnügen meiner ansonsten toleranten Mutter dieses verwerfliche Weiß-Gebäck – als fast militante Mehlhändlers-Tochter gab es für sie nur das gesund-köstliche Schwarzbrot, das ich Tag für Tag im Kindergarten gegen solch ein - ungesundes – Semmerl einzutauschen versuchte, was meine Kommilitonen strikt ablehnten – die verteidigten ihre Semmel mit allen Mitteln und zu Recht....

Jedenfalls wurde damals auch der Wald besucht und die Berge bestiegen, was mich entsetzlich langweilte, weil man doch besser am Badesee bootfahren oder am Strand ballspielen konnte.

So war der erste Versuch mich mit Mutter Natur zu versöhnen kläglich gescheitert und als meine Mutter später versuchte, mich als Schifahrer zu forcieren, zog ich es vor im "Karl May" zu schmökern, anstatt Stemm- oder andere Bögen zu fahren.

Ich wurde allmählich zu einem hochtalentierten Stubenhocker, der (nach der Winnetou-Periode) Science-Fiction las und schrieb, Jazz und Blues aus der Konserve und allmählich auch konzertant konsumierte und für diejenigen Mitmenschen, die ihren fragilen Körper leichtsinnig Wind und Wetter aussetzen, nur eine tiefe Verachtung empfand.

Bis mich meine Tilly überlistete....

Wir waren auf unserer jährlichen Reise zum Jazzfestival in Nizza (wo wir ab 1974 noch die letzten überlebenden Großen aus der Frühzeit des Jazz ehrfürchtig bewundern durften) im oberen Grödner Tal angelangt.

Tilly deutete auf ein unscheinbares Schild: "XYZ-Alm – 20 Minuten – da gehen wir hin!!!"

Ich deutete auf den Weg in der Pfeilrichtung: "Das geht ja bergauf........!!"

....womit ich glaubte, die Diskussion beendet zu haben.

"Das schaffst Du schon!!!" sagte meine schon damals bessere Hälfte kategorisch und marschierte los – immerhin sehr rücksichtsvoll da ziemlich langsam, denn ich konnte unter Stöhnen und Keuchen ihr Tempo mindesten drei Minuten lang mithalten.

Dann blieb ich aus Erschöpfung stehen und hob meinen Blick von den kieseligen Steinen zu meinen Füssen und sah......:

© Wolfgang Moroder https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Moroder?uselang=de
(Foto © Wolfgang Moroder - Wikipedia)

die  Geisler Spitzen

....und das war der Beginn des ruhmlosen Endes meiner rund 30-jährigen Stubenhocker-Karriere.

Die zweite Expedition unternahm ich dann bei Puchberg am Schneeberg, wo ich (fast ohne Murren und Jammern) die Edelweißhütte bezwang, wo mich ein ausgezeichnetes Essen davon überzeugte, daß es in Mutter Natur nicht nur Blumenpracht und Sonnenschein, sondern auch eine treffliche Küche zu entdecken gab.

Es folgten erste Touren auf die Rax und als mich auf dem Otto-Haus der Mann hinter der Theke mit den Worten warnte: "Das Bohnengulasch bei uns, ist aber nicht so gut wie im JAZZLAND" war ich endgültig verloren.

© Peter Haas https://commons.wikimedia.org/wiki/User:P_e_z_i
Otto-Haus - Rax

Die Leute vom hohen Berg kamen also auch in den tiefen Keller und ich stellte überrascht fest, daß mich bei meinen Wanderungen ziemlich viele Fexe nach den kommenden Jazzland-Ereignissen ausfratschelten und so kam ich zu dem Schluß, daß frische Luft am Berg und die (damals noch) verrauchte Luft im Keller von denselben Menschen inhaliert wurde.

Diese enge Verwandtschaft zwischen Jazzern & Wanderern bestätigte mir ein Dialog am 31.8.2017 knapp unter dem Anninger-Gipfel – ich plauderte mit einem Kollegen aus Kiel, der sich als Jazz-Hörer entpuppte. Als ich ihm erzählte, daß es in Wien einen klassischen Jazzclub (ähnlich wie einige in Norddeutschland) gibt, meinte er leicht höhnisch: "Aber einen Axel Zwingenberger habt ihr nicht!!!"

Ein paar Stunden später durfte ich ebendiesen auf der JAZZLAND-Bühne präsentieren.....

Berichte auf Wikipedia:
Geislergruppe
Otto-Schutzhaus


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