Story des Monats

September - Oktober 2011


Kapitel 10 einer (möglichst) langen Serie .....
Axel Melhardt Axel Melhardt plaudert:

 
"Damals in den 50-er Jahren....."

Stefan Kressler Claudia Kressler Florian Kressler
Stefan Kressler Claudia Kressler Florian Kressler

Alle, die mich etwas näher kennen, wissen, daß ich in meiner Jugend (also in den Jahren, die jetzt knapp hinter mir liegen) zwei große Interessen hatte:

Jazz und Science Fiction!

Damals in den 50-er Jahren träumte ich davon, daß diese beiden (zumindest bei uns) unbeachteten Kunstformen allgemeine Wertschätzung erfahren würden und (zumindest teilweise) habe ich dies auch erleben dürfen.

Die SF (wie man die Science Ficiton kurz zu nennen pflegt) hat es eigentlich vollkommen geschafft – Autoren, die in den 50-er Jahres in unseren Breiten verächtlich als "Heftlschreiberlinge" bekannt waren (z.B. Ray Bradbury, Arthur C. Clarke, Robert Heinlein, Isaac Asimov um nur einige zu nennen) sind Teil der Literatur und viele gute oder auch weniger anspruchsvolle TV-Serien sind im Bereich spekulativer Thematik angesiedelt und in Linz (wo es bekanntlich alles "beginnts") fand kürzlich eine stadtübergreifende Veranstaltung statt, in der die ganze Stadt im Banne der fiktiven Landung eines außerirdischen Raumschiffes stand - also lupenreine Science Ficiton!!!

Der Jazz hat es nicht so ganz geschafft – er ist aber zumindest in einigen seiner vielen Formen Teil des Kulturgeschehens und der Begriff der "Negermusik" ist (fast) vollkommen verschwunden – vollkommen "geschafft" wird es unsere Musik allerdings erst dann haben, wenn sie in den Medien als zweite "Ernste Musik" neben der "europäischen" Klassik behandelt wird und man nirgendwo mehr die Kategorie "Pop & Jazz" findet.

Doch – zurück in die Vergangenheit:

Damals in den 50-er Jahren hatte ich einen fast gleichaltrigen Freund, der sich vollblütig für die SF und (mir zuliebe) auch für den Jazz interessierte – HARALD KRESSLER war Nebenberufs-Student und ein grandioser, höchsttalentierten Kurzgeschichten-Autor, ein phantasiereicher (Amateur-)Kabarettist und ein ungemein schlagfertiger Diskutant, der mit Humor und messerscharfem Verstand trotz seiner Jugend (Jahrgang 1941) in vielen intellektuellen Erwachsenen-Runden zu brillieren verstand.

Anfangs der 60-er Jahre kamen die messerscharfen hydraulischen Ladebordwände auf, die – wenn sie auf Augenhöhe positioniert waren – natürlich fast nicht zu erkennen waren. Harry fuhr mit seinem damals so aktuellen Motor-Roller, bemerkte so ein Gerät erst im letzten Augenblick, riß seinen Kopf instinktiv zurück und die metallene Ladefläche trennte seinen Gesichtsschädel vom Rest den Kopfes ab.

Er überlebte, aber (wie mir Ärzte und Studenten und eine befreundete Krankenschwester indirekt zu verstehen gaben) ein gnädiges Schicksal ersparte ihm ein Überleben in ewiger Dunkelheit – man schaltete ihn ab.

Mehr als 20 Jahre später kamen zwei junge Burschen ins damals ebenfalls noch nicht sehr überwutzelte JAZZLAND und stellten mir eine sehr leicht zu beantwortende Frage:

"Sind Sie Axel Melhardt?"

Nachdem ich nach kurzem Nachdenken mit einem ziemlich überzeugten "Ja!" geantwortet hatte, gaben sie sich als Neffen von Harald Kressler zu erkennen und wollten ein wenig mehr über ihren Onkel erfahren, von dem sie eigentlich nur sehr wenig wußten.

Stefan und Florian Kressler blieben im JAZZLAND hängen – sie halfen hinter der Bar und bei der Kassa und lernten bei uns im Keller ihre Lebenspartnerinnen kennen (beide übrigens erfolgreiche Ärztinnen), mit denen sie inzwischen insgesamt 4 Kinder in die Welt setzten.

Auch der ältere Stefan ist Mediziner und praktiziert im Süden Wiens, Florian ist in einer wissenschaftlichen Institution beschäftigt, die ihn öfters in ziemlich exotische Weltgegenden entsendet, worum ich ihn ausführlich beneide.

Die beiden haben viel zum Aufbau und Erfolg des JAZZLAND beigetragen – aber vielleicht haben wir ihnen auch ein wenig auf ihrem Lebensweg geholfen.

Und somit ist mein Freund Harry Kressler auch irgendwie ein Teil meines Lebens geblieben.........


© Axel Melhardt
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