Story des Monats

Juni - Juli 2000


 
Blind John Davis

Blind John Davis, Art Hodes
Blind John Davis - Art Hodes


Einer unserer ersten - und einer der liebenswertesten - von allen unseren Star- und Stammgästen war der blinde Pianist und Sänger BLIND JOHN DAVIS, der in den 30-er und 40-er Jahren einer der gesuchtesten Begleiter für Sänger wie Merline Johnson (bekannt als das "Yas Yas Girl"), Memphis Minnie, Doc Clayton und viele andere war, und der in den 50-er Jahren mit Big Bill Broonzy eine sensationelle Europa-Tournee absolvierte.

Dann wurde es wieder sehr still um ihn, und wir wussten herzlich wenig über ihn, als er uns 1973 von einem deutschen Management angeboten wurde. Es stellte sich heraus, dass er nicht nur ein grandioser Pianist (das hatten wir erwartet), sondern auch ein hervorragender Sänger und Entertainer war, der es von der ersten Minute an verstand, sein Publikum zu begeistern.

Eine der charakteristischsten Eigenheiten in seinem variantenreichen Klavierspiel war eine rollende Bassfigur mit der linken Hand, die seine Improvisationen mit der rechten überaus wirkungsvoll unterstützte.

Und ich kannte diese Figur, ich hatte sie - auf Platten - von einem anderen Pianisten gehört, und als ich John fragte, woher er diese Phrasen hatte, zögerte er keine Sekunde seine Quelle aufzudecken - und damit meinen Verdacht zu bestätigen: "Das habe ich von einem russischen Pianisten, den Du sicherlich nicht kennst - von einem gewissen Art Hodes, einem weißen Bluespianisten."

Russisch stimmte, die Hautfarbe war auch korrekt, nur das mit dem Bluespianisten war nicht so ganz richtig. So wie bei uns, ist die Jazz- und Blueswelt auch in Chicago ziemlich weit voneinander entfernt, und es war dem guten Blind John natürlich vollkommen unbekannt, dass Art Hodes unter den Jazzpianisten eine echte Größe war - Aufnahmen mit Sidney Bechet, Wild Bill Davison und Gott und der Welt.

Ein paar Jahre später durfte ich dann voller Ehrfurcht auch Art Hodes im JAZZLAND begrüßen und als ich ihn ein bisschen besser kannte, fragte ich ihn dann ganz vorsichtig, woher er denn diese rollende Bassfigur der linken Hand her habe. "Das weiß ich ganz genau", kam direkt und ohne zu zögern die Antwort, "ich habe sie von einem blinden Bluespianisten aus Chicago, den Du sicherlich nicht kennst - von Blind John Davis."

Dass sich die beiden alten Herren aus Chicago, die sich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatten, dann schließlich - wie das Photo beweist - im JAZZLAND wieder trafen, stellt eine weitere freudige Pointe in dieser Geschichte dar.


© Axel Melhardt
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