Story des Monats

Mai - Juni 2008


Diese Geschichte stammt noch aus dem JAZZLAND-Buch Nummero Uno, das 1992 zur 20-Jahres-Feier erschien - und ist natürlich durch den Lauf der Jahre einigermaßen patinös geworden. Und trotzdem ist sie zeitlos, denn sie schildert anschaulich, in welche Probleme meine Tilly (die ein gewisser Herr Kishon sicherlich als die "beste Ehefrau aller Zeiten" nennen würde) allmonatlich kommt, weil sie standhaft versucht, keinem der bei uns auftretenden Musiker "weh zu tun", was leider unausweichlich der Fall ist, wenn man nicht alle gleich groß und gleich prominent auf die erste Seite der JAZZLAND-POST placieren kann - und auch dann wären die meisten nicht zufrieden, denn dann wäre jeder in unterschieldichem Maße der Meinung, daß "er" zu klein und die anderen zu "groß" von ihr in die Auslage gestellt werden . . .
Und das versucht die gute Tilly allmonatlich zu verhindern . . .
Und daran muß sie scheitern . . .

DIE ERSTE SEITE

Tilly Melhardt, Bob Barnard, Axel Melhardt Tilly Melhardt, Arlette Singer Tilly Melhardt
Tilly Melhardt
(mi. Bob Barnard, re. Axel Melhardt)
. . . wird hier etwa gedopt ? . . .
(re. Arlette Singer)
. . . nach getaner Arbeit . . .

Dies ist der Titel einer allmonatlichen Tragödie, die sich in einer unscheinbaren Wohnung im siebten Wiener Gemeindebezirk abspielt.

Um den 20. herum verwandeln sich die drei Zimmer in der Westbahnstraße nämlich in eine Redaktion, in der ein bärbeißiger Redakteur, eine verzweifelte Grafikerin und ein vergebens um Aufmerksamkeit heischender Jungjazzer knapp am Rande des Wahnsinns balancieren.

Während er, in seinem Barte wühlend, die letzten freien Termine vergibt, macht sich die unterbezahlte und damit weidlich ausgenützte Amateurgrafikerin an die Gestaltung der ersten Seite, während der Sehrjungjazzer der Meinung ist, es sei jetzt allerhöchstens an der Zeit, endlich "Scotland Yard" zu spielen.

Der allerletzte Termin ist vergeben, die Innenseite der JAZZLAND-POST mit den notwendigen Informationen gefüllt, der Junior ergibt sich schmollend den "Ghostbusters" - da nimmt das Drama seinen unabwendbaren Lauf.

"Meinst Du nicht, dass der AA im Vergleich zum BB zu groß geworden ist?" kommt die scheinbar harmlose Frage.

"Vielleicht, ein wenig, kann schon sein", kommt die unvorsichtige Antwort.

"Um Gottes Willen, dann muss ich den ganzen Krempel umschmeißen."

Die Tilly ist verzweifelt. Neu wird alles konzipiert, das Verhältnis von AA zu BB korrigiert - nur wird dann der CC zu klein und der DD zu prominent. Das Foto passt nicht mehr, und der EE hat keinen Platz mehr auf der ersten Seite.

Die Katastrophe ist da.

Das dritte Konzept wird verworfen, bei der vierten fehlt ein "S" zur Seligkeit (das Letra Set ist ja auch wirklich sauteuer), beim fünften haben wir vom FF nur ein Bild im Hochformat, doch das grafische Bild schreit nach quer, wohingegen beim sechsten Gestaltungsversuch der GG nicht mehr ins Bild passt, denn da schaut er nach links und wendet dem HH den Rücken zu, was diesen beleidigen könnte, weil er in der POST vom letzten August mit einem nicht zu vorteilhaften Konterfei nur auf den Innenseiten platziert war.

Beim siebten Versuch sieht alles glorios aus, bis die arme Tilly draufkommt, dass das im 'landl hängende Bild von SHELLY MANNE dem II (auf einem PETER-BRUNNER-Foto) eindeutig die Show stiehlt. Das kann man dem II wirklich nicht antun. Knapp bevor der schulpflichtige Jungjazzer aus dem erquickenden Schlaf erwacht, gelingt endlich der allerletzte Gestaltungsversuch.

Die erste Seite und die Grafikerin sind fertig, die Tusche noch nicht trocken, da eilt sie mit dem Junior in die Schule, gibt ihn ab und will so schnell als möglich nach Hause eilen, um doch noch ein wenig an der Matratze zu horchen. Da kommt die Mutter vom Schulfreund: "Gemma auf einen Kaffee - schaust gut aus. Hast dich erholen können in der letzten Nacht . . .". Durch einen Schreikrampf auf der Kaiserstraße sollen einige Verkehrsunfälle verursacht worden sein.

Der Herr Redakteur hat zu diesem Zeitpunkt noch immer tief und fest geschlafen . . .


© Axel Melhardt
Story