Story des Monats

März - April 2017


Kapitel 36 einer (möglichst) langen Serie .....
Axel Melhardt Axel Melhardt plaudert:

Wenn es darum geht, die Größten aller (Jazz-)Zeiten zu benennen, beginnen endlose Diskussionen – aber wie kann man auch Louis Armstrong mit Chuck Berry oder John Coltrane mit Roy Eldridge vergleichen – da ist jeder auf seine Art ein Genie für sich gewesen und stehen daher jenseits aller Diskussionen – wenn es aber um die Bigband-Chefs der legendären Swing-Ära geht, dann sind trotz Jimmy Lunceford, Glenn Miller und Woody Herman die Herren
 
Count Basie – Duke Ellington – Benny Goodman
Die drei Allergrößten
(Teil 1)
 
Count Basie
Count Basie (© countbasie.com)
 

....und ich hatte das Glück und die Ehre alle drei Giganten zumindest ein ganz klein bißchen persönlich kennen zu lernen....

Chronologisch gesehen war Count Basie der erste der drei Giganten, die mir und meiner Tilly persönlich begegneten. Das war natürlich bei den grandiosen Jazz-Festivals im sommerlichen Nizza in den 70-er Jahren, wo wir eine ganze Reihe von wesentlichen Jazzern kennenlernten, die später im JAZZLAND auftraten und so der Grundstein für den jahrzehntelangen Erfolg des kleinen Kellers unter der Ruprechtskirche waren....

Im letzten unserer Nizza-Jahre (es war 1976 nach Christus) war unser heißgeliebter Schäferhund Chico schon ziemlich alt und ebenso müde – so wurde es Usus, daß ich von einer der drei Bühnen zu anderen wanderte, um nichts zu versäumen, während meine Tilly es sich bei der Hauptbühne mit Chico zu ihren Füßen gemütlich machte.

Das war ein großer Irrtum.

Als ich einmal von einem meiner Lauschzüge zum Hauptquartier zurück kehrte, saß ein etwas fülliger Mann neben meiner "vorgesetzten Behörde" und kraulte den alten Hundeherren hinter den Ohren, wodurch ich sofort wußte, daß es sich um einen sympathischen Mann handeln mußte, denn Chico verfügte über eine ausgezeichnete Menschenkenntnis. Und daß die Tilly mit ihm freundlich plauderte, beruhigte mich zusätzlich....

Als ich dann näher kam, erstarrte ich innerlich....

Der nette Herr war Count Basie, der uns oft mit Eddie Lockjaw gesehen hatte und uns – mitsamt dem Hund – so unter die netten Menschen katalogisiert hatte.

Details der folgenden Plauderei habe ich natürlich nicht mehr im Kopf – es ist über 40 Jahre her.... – ich weiß nur noch, es war sehr nett....


So ein Festival ist anstrengend.

Es beginnt um 17 Uhr, im Stundentakt wechseln die Bands auf bis zu vier Bühnen und gegen Mitternacht verläßt man todmüde und kaputt das Gelände, um in der Innenstadt von Nizza bis in den frühen Morgen in der Fußgängerzone mit Musikern zu plaudern.

Dabei wird – wenig überraschend – auch das eine oder andere volle Glas geleert – was oft dazu führt, daß man sich am folgenden Tag nicht erst nach 17 h beim Festival, sondern schon am zeitigsten Morgen (also gegen 12 Uhr) in der Fußgängerzone trifft.

Und da man sich allgemein nicht im allerbesten Zustand befindet, diskutiert man auch über die wirkungsvollste Katerbekämpfung.... In einer medizinisch sehr hochwertigen Runde saßen – soweit ich mich recht erinnere – natürlich der Lockjaw, Freddie Green war dabei, Kenny Davern und Major Holley, aber nicht der Wilde Bill Davison – der schlief noch, Ralph Sutton und einige andere.

Jeder hatte sein eigenes Rezept, die Diskussion wogte hin und her, bis plötzlich Count Basie an den Tisch trat, einen Sessel in Besitz nahm und apodiktisch erklärte: "The best hangover remedy is a glas of beer and a Viennese Guylas.....! Das beste Gegenmittel für einen Kater ist ein Bier und ein Wiener Gulasch....!"

Wogegen ich keinen Einwand hatte....


Eine zweite Begegnung mit Mister Basie hatte ich einige Jahre später. Da lief das JAZZLAND schon so halbwegs, aber es gab auch noch eine rege Konzerttätigkeit in Konzerthaus und Stadthalle und natürlich versuchte ich bei dieser Gelegenheit den einen oder anderen Weltstar für eine Jam Session im JAZZLAND zu kapern – was mir erfreulich oft gelang.

So war ich auch pünktlich zum Konzertende einer formidablen "Jazz at the Philaharmonic"-Orgie in der Stadthalle (oder war es doch das Konzerthaus – es ist Jahrzehnte her.... – aber das ist für die Geschichte auch ziemlich unwesentlich) und ich fragte unseren Freund Eddie "Lockjaw" Davis, ob ich nicht auch Count Basie fragen sollte, ob er nicht auch wie Sweets Edison, Roy Eldridge, Al Gray, Jimmy Forrest und einige andere ins JAZZLAND mitkommen wolle....

"Okay..... – try it", meinte Jaws lächelnd.

Ich sagte dem Count (der mich natürlich nicht mehr erkannte) mein Sprücherl auf....: "Club, Jam Session, nice place, good food etc." und er lächelte freundlich und meinte: "Sehr nett, Deine Einladung, aber es war ein anstrengendes Konzert und ich bin ein alter Mann, ich brauche meine Ruhe, aber ich wünsche Dir einen schönen Abend und viel Erfolg und Jaws hat mir viel Schönes über Dich und Deinen Club erzählt....."

Ich ging zum "Ederl" wie wir ihn in Wien umgetauft hatten, zurück und erzählte ihm – wahrscheinlich mit vor Freunde strahlend leuchtenden Augen – wie nett und freundlich der Große Mann gewesen war.

"Na, dann frag doch auch den Oscar (Peterson), ob er nicht mitkommen mag...."

Mutig wie ich war, ging ich auch zum Piano-Giganten und wiederholte meine Einladungsformel, auf die er antwortete: "Speak to my manager", womit er sich umdrehte und wegging....

Als ich zu Jaws zurückkam, grinste er breit und sagte – natürlich auf Englisch – ich übersetze wieder: "Ich wollte Dir nur zeigen, daß zwei Große Musiker unterschiedliche Charaktere sein können: der eine ein Sir und der andere ein ziemliches A........loch!"

Wie recht er hatte, konnte ich anhand der beiden anderen Swing-Giganten erkennen – doch über den Duke & Benny Goodman demnächst an dieser Stelle....


© Axel Melhardt
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