Story des Monats

Februar 2005


 
BUD FREEMAN
und Bernhard Gottlieb
 
Bud Freeman, Alfons Würzl LP "Bud's Birthday" Bernhard "Bernie" Gottlieb
Alfons Würzl cl, Bud Freeman ts LP "Bud's Birthday" Bernhard "Bernie" Gottlieb b


Als BUD FREEMAN nach Wien kam, war er zwar einerseits musikalisch noch auf voller Höhe seiner großen Schaffenskraft - andererseits aber doch schon ein sehr alter und überaus schrulliger Mensch.

Wie sehr er doch eine gute "Chicken-Soup" liebte und jede, die er aß, war die beste aller Zeiten. Als er dann einmal eine eher mittelmäßige Band ebenso überschwenglich lobte, kam von BERNIE GOTTLIEB der lakonische Kommentar: "Das ist die beste Hendlsuppe, die er jemals gehört hat."

Bei der LP, die mit ALFONS WÜRZL, BILL GRAH, ERNST DWORZAK, NORBERT VAS, WALTER SCHIEFER und eben BERNIE eingespielt wurde, wollte er uns eine brandneue Komposition von ihm - benannt "Vienna Tenor" als Duett mit dem Drummer - als Sensation anbieten, bis ich herausfand, daß er dieselbe Nummer einige Monate zuvor in London als "London Tenor" aufgenommen hatte. Nicht, daß er uns beschummeln wollte, aber er machte es sich eben alles etwas einfacher als notwendig. Und inzwischen bin ich darauf gekommen, daß er den Titel schon 1945 - als "The Atomic Ära" mit dem Schlagzeuger RAY MCKINLEY - eingespielt hat.

BUD war ein genialer Musiker, ein echter Innovator des Jazz. Er war der erste Tenorsaxophonist, der sich von dem alles überstrahlenden Einfluß eines COLEMAN HAWKINS abschirmen konnte. So wurde er zum großen Vorbild von LESTER YOUNG und zählt somit sicherlich zu den allerprominentesten Namen auf unserer Ehrenliste. Aber eigentlich wollte er gar nicht Musiker werden, sondern seinem älteren Bruder, einem großen Shakespeare-Darsteller, nacheifern. Und so waren alle seine Alltagsauftritte von einer gewissen dramatischen Grandezza, und er unterhielt sich auch nicht einfach mit seinem Gesprächspartner, sondern hielt ein klein wenig "Hof".

Anläßlich einer BUD FREEMAN Tournee durch Österreich ereignete sich folgende Geschichte, die auch für die Nachwelt erhalten werden sollte - sie ist in dem Buch "Swing That Music - 30 Jahre JAZZLAND", das noch im JAZZLAND erhältlich ist, enthalten:

Eines frühen Morgens - es muß so gegen 4.00 Uhr gewesen sein, und man schrieb das Jahr 1975 n.C. - da sinnierte ich im JAZZLAND trübsinnig vor mich hin, wie schwierig doch die Österreich-Tournee mit BUD FREEMAN zu organisieren sei, weil mir kein geeigneter Kleinbus zur Verfügung stünde. Ich weiß nicht mehr, wer alles meinem Lamentieren zuhörte, denn ich war natürlich in der vergangenen Nacht mit einigen tieffliegenden Flaschen kollidiert, aber es mußte unter den Lauschenden auch der BERNIE GOTTLIEB gewesen sein, denn am nächsten frühen Morgen so gegen 12.00 mittags, da riß mich ein Klingeln an der Wohnungstür aus meinem überflüssigen Schönheitsschlaf, und Bernie stand breit grinsend vor mir und überreichte mir einen Autoschlüssel: "Vor der Tür steht ein Ford-Bus. Den bezahlst Du mir, sobald es sich leicht bei Dir ausgeht!", sagte er, drehte sich um und verschwand im Stiegenhaus. Ich stand mit dem berühmten offenem Mund da - und konnte mich erst am nächsten Abend bedanken. Der Bus war ein Hit, er brachte nicht nur die einfachste Lösung aller Transportprobleme, sondern er war auch ein "kommerzieller" Erfolg - er hatte so an die ö.S. 40.000.- gekostet, und als ich ihn später verkaufte, bekam ich fast ö.S. 50.000.- dafür. Als ich Bernie den Gewinn seiner "Investition" aushändigen wollte, war er (fast) beleidigt.

Aber zurück zu BUD FREEMAN:

In New York soll sich folgende Geschichte zugetragen haben (ich hörte sie aus mehreren Quellen und glaube sie daher, denn sie paßt sehr gut auf ihn): Tagtäglich aß er in einem kleinen Restaurant gegenüber von EDDIE CONDONS JAZZCLUB, wo ihm das Essen einfach zu teuer war, und studierte ausführlich die kleine Speisekarte, um dann tagtäglich unweigerlich einen Hamburger zu bestellen. Da er nie einen Cent Trinkgeld gab, war er nicht allzu beliebt, und als er eines Tages wiederum mit Würde die Speisekarte kontrollierte, nahm ihm die Kellnerin diese kurzerhand weg und strich die Hamburger durch. "I just scratched what you like", sagte sie spitz.

"So, go and wash your hands and then bring me a Hamburger", kam seine prompte Antwort.


© Axel Melhardt
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